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Der Kristallpalast: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Der Kristallpalast: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Titel: Der Kristallpalast: Ein Steampunk-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Plaschka , Matthias Mösch , Alexander Flory
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...“, fragte ich und fuhr wieder herum, und da sprang er auf einmal auf und stieß mir mit voller Wucht seinen Kopf ins Gesicht.
    Der Angriff war nicht mit viel Geschick ausgeführt, aber er erfüllte seinen Zweck, denn es fühlte sich ganz danach an, als bräche in diesem Moment meine Nase, und die Splitter drückten sich bis in mein Gehirn. Ich wusste, das waren nur der Schmerz und die Überraschung und wollte zum Gegenangriff ausholen, doch im nächsten Moment verdrosch er mich mit seinem Schirm, in dessen Handhabung er alle Geschicklichkeit demonstrierte, die ich an seinem Rammangriff noch vermisst hatte. Ich erkannte, dass er keineswegs ein x-beliebiger alter Mann mit einem Regenschutz war; er machte einem ausgebildeten Fechter alle Ehre.
    Ächzend ging ich zu Boden. Wie um meine Gedanken zu bestätigen, zog er eine kleine Klinge aus seinem verdammten Schirm – so musste er sich auch befreit haben, verdikkeme – und schnitt sich die übrigen Fesseln durch. Sein gespenstiges Gegenstück war verschwunden.
    In aller Ruhe stieg er über mich hinweg und griff in die Schatten über einem der Querbalken. Als er seine Hand wieder herauszog, hielt er einen Kristall von der Größe eines Golfballs in Händen. Er rieb ihn leise brummend am Innenfutter seines Ärmels ab, dann setzte er ihn mit einem mechanisch klingenden Geräusch in seine Augenhöhle ein. Dann wandte er sich wieder mir zu.
    Ich hatte noch eine Chance. Langsam veränderte ich den Winkel meines Arms und richtete mein Armband auf ihn.
    „Ist Fortuna nicht eine bemerkenswert launische Dame?“, fragte er heiter. Im Laternenlicht sah er mit seinem fleckigen Anzug wie ein Metzger aus. „Man könnte Sie für eine altgediente englische Wettergöttin halten. Wo waren wir?“ Er hob den Finger, als lausche er auf eine Eingebung. „Richtig, Sie wollten mir gerade erzählen, von wie vielen Steuerelementen Sie wissen und welches Ziel Ihnen vorschwebt, wenn Sie erst alle in Ihren Besitz gebracht haben.“
    Ich schoss. Leider hatte ich den Winkel falsch eingeschätzt, oder die Waffe verriss mir die Peilung, in jedem Fall traf der Graphitstift nicht ihn, sondern die Laterne auf ihrem Querbalken. In Sekundenschnelle hatte sich das Öl über die Streben ergossen, und das Dach der Baracke stand in Flammen. Erschrocken fuhr der Engländer herum.
    Ich schoss ein weiteres Mal. Diesmal traf ich ihn an der Schulter. Er schrie auf und blickte bedauernd von mir zum Feuer und schließlich zu dem Artefakt, dass jenseits des Feuers zwischen Ananasresten und Limonadeflaschen auf dem Boden lag. Dann griff er sich seinen Hut und stürmte hustend nach draußen.
    Dichter Rauch vernebelte mir die Sicht, und erste Teile des Daches stürzten wie feurige Geschosse auf mich herab. Ein Teil von mir wollte ihm folgen und so schnell wie möglich davonrennen; doch etwas hielt mich zurück. Schnaufend rappelte ich mich auf und taumelte auf der Suche nach dem Artefakt umher.
    Ich atmete Rauch. Meine Haut fühlte sich an, als stünde sie in Flammen, und ich roch, wie die Härchen auf meiner Haut sich kringelten und zischend vergingen. Draußen hörte ich Rufe und Schreie, als die ersten Wächter auf den Brand aufmerksam wurden.
    Dennoch gab ich nicht auf, bis meine Finger sich um das merkwürdig kühle Artefakt schlossen. Ein Steuerelement . Von wie vielen? Weshalb hatten mir die Heeren nichts davon gesagt, dass es mehrere gab? Konnte es denn wirklich sein, dass sie nichts davon gewusst hatten?
    Wussten sie mittlerweile davon?
    Ich würde mit dem Kaufmann darüber reden müssen.
    Ich mochte auf mich allein gestellt sein, und meine Karten waren sicher schon besser gewesen. Ich war aber noch immer Ingenieur, potverblommekes – und ich hatte einen Palast zu vollenden!

Sokrates Royle
    Morgenvisite
    F ür meinen Geschmack besaß Lord Bailey eindeutig zu viele Häuser.
    Ich meine, ich hatte mir nie mehr als ein Heim gewünscht, und im Augenblick hatte ich nicht einmal das; ich hatte ein Zimmer in einem Club, in dem nicht viel mehr als ein Bett und eine Flasche Scotch auf mich warteten. Nach beidem sehnte ich mich im Moment.
    Die Nacht im Palast war lang und ereignislos gewesen; so ereignislos, dass die Sicherheitskräfte, die den Haupteingang bewachen sollten, irgendwann begonnen hatten, Whist zu spielen. Sie hatten mich eingeladen mitzuspielen, aber ich hatte abgelehnt. Ich wurde das Gefühl nicht los, etwas übersehen zu haben, und eine seltsame Unruhe hielt mich im Griff. Es war so ähnlich, wie

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