Der Kugelfaenger
schwingenden Schritten schwebt sie regelrecht dahin. Sie sieht in dem einfachen schwarzen Body mit Spitzenbesatz absolut fantastisch aus.
Ihre offenen Haare umrahmen ihr Gesicht und wehen leicht zur Seite.
Ihre nackten Beine wirken durch die hohen Schuhe umso länger.
Die Kratzer in ihrem Gesicht sind wie durch Zauberhand verschwunden.
Man merkt ihr die Professionalität an, mit der sie ihren Job ausführt.
So schön der Zauber auch sein mag – so schnell ist er auch wieder vorbei. Evelyn erstarrt kurz in ihrer Bewegung und macht sich dann auf den Rückweg. Es dauert nicht lange und sie ist schon wieder weg.
Tom kreuzt seine Arme vor der Brust und lehnt sich mit der Schulter entspannt an. Er ist ziemlich erleichtert, dass ihr Auftritt ohne irgendeinen Zwischenfall über die Bühne gegangen ist.
Als auch nach einigen Minuten alle anderen Models gelaufen sind, versammeln sich die gesamten Mädchen noch einmal und laufen gemeinsam über den Catwalk. Toms Muskeln spannen sich wieder an, als Evelyn wieder herauskommt, dicht gefolgt von Valentina mit ihren ganz blonden Haaren und der extrem hellen Haut.
Evelyn streicht sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht.
Sie achten nicht auf das Geklatsche des Publikums oder die Presse.
Die allgemeine Stimmung ist großartig.
Aber nur so lange, bis ein ohrenbetäubender Knall die ganze Atmosphäre zerstört.
Eine einzige Fingerkrümmung.
Ein Donnerschlag.
Das Flüstern des Todes.
Er sorgt dafür, dass sich Toms Puls verfünffacht, sein Herz für eine volle Sekunde aussetzt und dann dreimal so schnell weiterschlägt. Ihm bricht der Schweiß aus; es wird ihm abwechselnd heiß und eiskalt. Und das nur innerhalb von einer Sekunde.
Er bringt die Menge zum Schweigen.
Er lässt das blonde Model, das nur wenige Meter neben Evelyn steht zu Boden sinken.
Wie ein welkes Blatt.
Für eine Millisekunde stehen alle wie versteinert da, so als hätte man den Videorekorder angehalten.
Aber die Frau steht nicht wieder auf. Regungslos bleibt sie liegen.
Dann bricht das totale Chaos aus.
Menschen schreien und springen von Panik erfasst von ihren Stühlen auf und stolpern wie blind durch die Gegend. Sie rempeln sich gegenseitig an und stoßen orientierungslos aneinander. Andere suchen hinter ihren Stühlen Schutz.
Die Models auf dem Laufsteg kreischen und rennen in hellem Aufruhr davon.
Tom zieht sofort seine Waffe, als der Schuss ertönt. Er weiß nicht woher er gekommen ist.
Die wahrscheinlich einzige, die nicht in unbändige Panik verfällt, ist Evelyn.
Tom erblickt sie, als sie nur wenige Meter neben dem toten Model kniet. Niemand achtet auf sie, der Laufsteg ist bis auf Evelyn und Valentina wie leergefegt.
Toms Magen zieht sich bei dem Gedanken daran zusammen, dass Evelyn wie auf dem Präsentierteller dort unten sitzt. Seine Beine setzen sich automatisch in Bewegung.
„Runter, runter, runter! Auf den Boden!“, brüllt er gegen das Geschrei an. Doch niemand kümmert sich um ihn. Damit hat er eigentlich sowieso nur Evelyn gemeint.
Kein zweiter Schuss, kein zweiter Schuss
, betet er monoton vor sich hin.
Bitte lieber Gott, kein zweiter Schuss.
Tom drängt die Menschenmassen auseinander und steigt über am Boden kauernde Gestalten.
Männer.
Frauen.
Sogar Kinder.
Seine Bewegungen werden immer nervöser.
Evelyn hat keinen Schutz. Der Irre kann jede Sekunde wieder zuschlagen.
Lieber Gott, bitte nicht … nicht Evelyn …
Der tödliche Schuss muss von den Zuschauerrängen auf der gegenüberliegenden Seite abgegeben worden sein. Toms Blick hüpft panisch die Sitzreihen auf und ab.
Nein, nein, nein.
Er streift die Menschen mit seinem Blick, die an ihm vorbeiströmen.
Bitte nicht.
Evelyn.
Oh Gott. Nein.
Er quetscht sich an aufgebrachten Leuten vorbei, steigt kreischenden Damen auf die Füße, stößt ratlose Herren unsanft zur Seite.
Er nimmt keine Rücksicht. Auf nichts und niemanden.
Er hat nur ein einziges Ziel: Evelyn zu erreichen.
***
Blut.
Überall.
Das Blut bildet unter dem Kopf eine Lache.
Überall Blut. So viel Blut.
Sie streicht ihr die feinen Haare aus dem Gesicht.
Noch mehr Blut.
Sie hat Blut an den Fingern.
Kalte Augen.
Das Blut malt rote Strähnchen in ihre Haare.
Ein dünnes Rinnsal ist auf dem Weg die Schläfe hinab erstarrt.
Auf der blassen Stirn erblüht eine rote Rose.
Blutrot.
Die schöne Blume wurde gepflückt.
***
Tom erreicht den Laufsteg. Er ist völlig durchgeschwitzt. Ein Satz, dann ist er bei Evelyn. Er nimmt das viele Blut
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