Der Kugelfaenger
ausweisen?“
„Evelyn!“, empört sich Catherine.
„Selbstverständlich“, sagt Tom und zieht ein verknittertes Stück Papier und seinen Personalausweis aus seiner Hosentasche und legt sie auf den Tisch.
Nach einem kurzen Moment löst Evelyn ihren Blick von Tom und streckt stattdessen ihre Hand nach den Dingen aus und zieht sie zu sich. Sie überfliegt den Zettel nur kurz, würdigt den Ausweis keines Blickes, schiebt die Sachen dann wieder Tom zu und verschränkt ihre Arme vor der Brust. Sie hat keine Lust sich weiter mit ihm zu beschäftigen, das zeigt sie damit unmissverständlich.
„Wollen Sie etwas trinken?“, fragt Catherine höflich. Sie ist über das Verhalten ihrer Nichte sichtlich verärgert.
Tom lehnt dankend und mit einem warmen Lächeln auf den Lippen ab.
„Ach, wirklich nicht? Ich könnte Kaffee machen … Oder haben Sie Hunger? Möchten Sie ein paar Kekse?“, stürzt sich Catherine auf ihn.
„Nein, vielen Dank“, sagt er noch einmal, wobei er nicht vergisst zu lächeln.
„Nicht einmal klitzekleine Kekse?“, versucht es Catherine noch einmal.
Tom ist schon versucht, ja zu sagen, damit sie endlich zufrieden ist, als Evelyn sie anzischt: „Lass ihn doch in Ruhe, Tante. Er will nichts.“
Catherine schnaubt, beachtet ihre Nichte nicht und holt aus der Küche eine Flasche Mineralwasser und ein Glas, das sie vor Tom abstellt und bis zum Rand voll gießt.
Tom bedankt sich mit einem Lächeln und trinkt einen Schluck. Catherine Williams wirft Evelyn Williams einen triumphierenden Blick zu und lächelt. Dann beginnt sie Tom ein paar allgemeine und recht uninteressante Fragen zu stellen: Wie denn das Wetter in New York momentan so sei, wie er die Möglichkeit der Wiederwahl des US-Präsidenten in zwei Jahren einschätze, ob er auch von diesem entsetzlichen Schiffsunglück im Pazifik gehört habe und was er vom derzeitigen Zustand Europas halten würde. Tom meint, das Wetter in New York sei auf jeden Fall besser als hier, bei Wahlen hielte er sich grundsätzlich zurück, er verfolge die Nachrichten nur äußerst oberflächlich und Europa sei ihm auch so ziemlich egal. Selbstverständlich drückt er sich in schöneren und unverfänglicheren Worten aus. Evelyn hört ihnen die ganze Zeit zu, tut aber so, als interessiere sie sich nicht im Geringsten für diese Unterhaltung. Dann meint Catherine, gut, genug gequatscht, jetzt könnte man sich doch wichtigeren Themen widmen.
„Wann können Sie anfangen, Mr. Hunt?“, fragt sie deshalb.
Ist das eine Fangfrage?
„Sofort“, antwortet er. „Denken Sie, ich sitze hier aus Spaß vor Ihnen?“, hätte er am liebsten noch hinzugefügt, lässt es aber bleiben, weil ihm eine mögliche Kündigung mehr Sorgen bereitet, als eine störrische Kundin.
„Na super“, kann er seine zukünftige Klientin murmeln hören. Es ist zwar ein leises Murmeln, aber immer noch laut genug, damit es Tom mitbekommt. Das ist auch ihre Absicht.
„Ja, das ist doch großartig“, meint Catherine Williams begeistert und strahlt über das ganze Gesicht.
„So, Mr. Hunt, das glaube ich war’s dann“, sagt Evelyn Williams und unterbricht somit das kleine, nette Gespräch. „Ich könnte Ihnen noch ein paar gute Hotels hier in der Nähe empfehlen … oder haben Sie schon eins?“
„Ein Hotel? Spinnst du? Wir haben doch genug Platz“, tadelt Catherine ihre Nichte.
„Ein Hotel ist völlig in Ordnung“, sagt Tom großzügig. Das letzte, was er will, ist mit dieser Person unter einem Dach zu wohnen.
„Sag ich doch“, gibt Evelyn ihrer Tante zurück. „Ihm reicht auch ein Hotelzimmer.“
„Das kommt gar nicht in Frage!“, entrüstet sich Catherine. „Was denkst du, wofür du einen Bodyguard hast? Bestimmt nicht dafür, dass er in einem
Hotelzimmer
sitzt.“
Evelyn zieht beleidigt eine Schnute und sagt kein Wort mehr.
Aber Catherine Williams ist jetzt so richtig in Fahrt. „Und nun komm schon, zeig ihm endlich die Wohnung. Vielleicht müsst ihr noch ein wenig aufräumen, aber das ist ja gleich erledigt.“ Sie steht auf. „Ich kümmere mich um das Bettzeug und so.“ Dann verschwindet sie im Haus.
Tom kann es kaum glauben. Ms. Evelyn Williams steht unter der Fuchtel ihrer Tante.
Evelyn bewegt sich keinen Zentimeter. Sie sitzt mit angezogenen Beinen auf ihrem Gartenstuhl und ignoriert alles andere um sich herum. Ihr Anblick erinnert mehr an einen störrischen Teenager, als an ein achtundzwanzigjähriges Model. Dafür sorgt mit Sicherheit auch ihre
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