Der Kugelfaenger
Heutzutage kann man sich so eine Anleitung ja jederzeit aus dem Internet herunterladen. Ihr hattet wirklich mehr als nur Glück.“
Tom begleitet Frank bis zu seinem Wagen. „Kann ich Sie hier wirklich alleine lassen?“, möchte dieser wissen.
„Selbstverständlich. Aber ich habe noch eine Aufgabe für Sie.“
„Schießen Sie los“, sagt Greyson gespannt. Er umklammert mit festem Griff das Lenkrad. Er liebt es, im Müll zu stöbern und Dreck ans Tageslicht zu holen. Tom gibt ihm seine spärlichen Informationen über Jack Dupont und Frank kann es kaum noch abwarten, bis er wieder im Büro ist.
Als er in die Wohnung kommt, liegt Evelyn schon wieder in seinem Bett und schläft.
Die Nachwirkungen der Beruhigungstabletten.
Er lässt sich auf der Couch nieder und betrachtet sie einen Moment. Unwillkürlich wandern seine Gedanken zu Jack Dupont. Ihrem Exfreund.
Wie viel ist er tatsächlich für sie?
Tom weiß es nicht. Aber er hat das Gefühl, dass die beiden mehr verbindet, als nur eine abrupt beendete Beziehung.
Er ist müde. Er lehnt sich zurück und schließt die Augen. Klick. Sofort taucht die Szene von heute Vormittag in seinem Kopf auf, als sie am Flughafen waren und der Wagen ohne Vorwarnung in die Luft geflogen ist.
Er zuckt zusammen.
Klick. Dann das Taxi vor dieser Bank in New York.
Klick. Evelyns Gesicht.
Er windet sich.
Klick, klick. Der völlig entstellte Körper des Mannes.
Er hält es nicht mehr aus. Er macht die Augen wieder auf.
Eigentlich ist er ein Meister der Verdrängung, aber so etwas lässt sich dann doch nicht so einfach in irgendeine weit entlegene Ecke des Gehirns drängen.
Klick. Der Audi. Jacks Wagen.
Klick. Warum ist er heute Morgen bei Evelyn aufgetaucht?
Klick, klick. Warum hat er ihm angeboten, ihn mitzunehmen?
Klick. Hat er geahnt, dass Evelyn mitfahren würde?
Klick. Vielleicht wusste er, dass sich in seinem Wagen ein Sprengsatz befand.
Klick. Was, wenn
er
Evelyn töten wollte?
Klick, klick, klick. Nur – warum?
Mit einem mal beginnt sich für Tom ein weiteres Kästchen in diesem speziellen Kreuzworträtsel zu füllen.
Zwei Minuten später steht er mitten in Evelyns Zimmer und sieht sich um. Es ist eigentlich sehr spärlich eingerichtet. An der einen Wand, neben der Balkontür, steht ein einfaches Holzbett, das verdächtig nach Jugendbett aussieht, mit hellgrauer Bettwäsche. Ein Stuhl dient als Nachttisch, auf dem sich vor allem eine Menge Bücher und gleich drei Wecker stapeln. Die nackten Wände wurden weiß gestrichen, was den Raum sehr hell wirken lässt. Der Kleiderschrank ist schmal und daneben steht eine Kommode aus weiß lackiertem Kiefernholz, bei der die zahlreichen Astlöcher noch durchscheinen. Darauf türmt sich jede menge Zeug. Dazwischen befindet sich ein Foto von Henry. Neben der Kommode stehen drei geräumige, braune Umzugskisten.
Das einzige Einrichtungsstück, das Evelyns Persönlichkeit optimal zum Ausdruck bringt, ist der Schreibtisch mitten im Zimmer. Auf ihm stapeln sich eine Unmenge von Zeitschriften, Schachteln, Kleidungsstücken, eine Nähmaschine und Papierreste. Dazwischen findet man leere Batterien, angekaute Bleistifte, offene Klebestifte, eingetrocknete Filzstifte, dreckige Tassen, geöffnete Briefumschläge, leere Pizzaschachteln, auseinander genommene Wäscheklammern und zerlegte Kugelschreiber. Der Schreibtisch unter der riesigen Last ist schwindend gering. Es scheint Tom, als könnte er den Tisch seufzen und knacken hören.
Es sieht hier schon irgendwie Messie-mäßig aus.
Aber er ist nicht zum Spaß hier. Er hat vor, etwas über Jack zu suchen. Und da ist er hier wohl an der besten Adresse. Dabei geht es ihm so ziemlich am Hintern vorbei, ob er nun in Evelyns Privatsphäre eindringt oder nicht. Sie hat schließlich das gleiche getan, als sie Erkundigungen über ihn eingeholt hat.
Zuerst öffnet er den Kleiderschrank. Da gibt es aber nicht mehr zu sehen, als reingestopfte Kleidung. Da sieht es genauso wüst aus, wie in seinem eigenen Schrank.
Auf dem Stuhl neben ihrem Bett hat sie zwei Agatha-Christie-Krimis und drei Schweden-Thriller liegen.
Sie hat einen altmodischen CD-Player am Fußboden stehen und daneben befindet sich eine Schachtel mit einer Menge CDs. Er überfliegt die Titel schnell. Der Großteil davon ist dem Heavy Metal, Hardrock, Grunge und so weiter zuzuordnen. Sie hat unter anderem alle Studioalben von
Nirvana
, stellt er fest und fast die Hälfte aller Alben von
Kiss
. Und
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