Der Kugelfaenger
sich keinen Zentimeter. Er hat einen Krampf im Finger.
Der Einbrecher setzt einen Schritt zurück. Dann noch einen. Und noch einen. Tom folgt ihm. Er ist höchst konzentriert, ignoriert die Pistole des anderen und richtet seine eigene unablässig auf die Stirn des Maskierten. Nach ein paar Metern sind sie im dunklen Wohnzimmer angekommen. Der Fremde macht das Licht an, um besser sehen zu können. Jetzt sieht Tom, dass die Tür zur Veranda aufgebrochen wurde.
„So. Bleib hier stehen“, sagt der Einbrecher. „Du gehst keinen Schritt weiter, sonst …“ Er lässt seine Drohung unausgesprochen. Dann geht er wieder ein paar Schritte rückwärts, um zur Verandatür zu gelangen. Tom folgt ihm mit etwas Abstand, mit der Waffe im Anschlag.
„Ich sagte doch, du sollst stehen bleiben“, knurrt der Fremde und krampft seine Finger um den Abzug. Tom kommt noch ein wenig näher. Der Maskierte weicht einen Schritt zurück. „Bleib stehen!“ Er wirkt verzweifelt, soweit man das an seinen Augen ablesen kann. Doch Tom hört ihm gar nicht zu. Er fixiert ihn mit einem so derart kühlen und alles durchdringenden Blick, dass man denken könnte, er wäre bereit, jede Sekunde den Abzug seiner Waffe zu betätigen.
„Komm schon, bleib doch zurück!“, winselt der andere und ist von Toms entschlossenem Auftreten so abgelenkt, dass er zu spät merkt, wie Tom nach dem schweren, gusseisernen dreiarmigen Kerzenständer im Wohnzimmerschrank greift, ihn packt und ihm damit seine Waffe aus den Händen schlägt, noch bevor dessen Finger die Krümmung um den Abzug vollenden können. Dann holt er erneut aus und schlägt ihm den Kerzenständer gegen die Beine. Die schmalen Wachskerzen brechen ab und fallen auf den Teppich. Tom hebt den Kerzenständer über den Kopf und schlägt ihn mit aller Kraft, die er aufbringen kann, auf den Rücken der gebeugten Gestalt. Der Einbrecher stößt einen Schmerzensschrei aus und noch bevor Tom ein viertes Mal mit dem massiven Kerzenständer ausholen kann, zieht er einen Zinnteller von einem der unteren Regalbretter und haut ihn Tom um die Ohren. Sofort fängt seine Nase wieder an wie verrückt zu bluten und er hat das Gefühl, die Englein singen zu hören. Der Fremde nutzt zwischenzeitlich Toms kurze Benommenheit aus und humpelt mit seinen malträtierten Knien zur Verandatür und öffnet sie schon, doch da ist Tom wieder da und rammt ihm mit aller Kraft einen gespitzten Bleistift zwischen die Schulterblätter, den er am Fußboden gefunden hat. Der maskierte Fremde heult auf und greift im Gegenzug nach einer Vase, die er Tom über den Schädel zieht. Tom sinkt auf die Knie und hält sich den schmerzenden Kopf. Das nützt der Angreifer aus und greift nach dem Küchenstuhl, der vor dem Bücherregal steht. Er holt aus und lässt ihn krachend auf Tom niedersausen. Er bricht zusammen und bleibt für einen Moment benommen am Boden liegen. Der Einbrecher nutzt seine Chance und schlüpft durch die bereits geöffnete Verandatür nach draußen. Tom rappelt sich mühsam auf. Er hält sich den schmerzenden Kopf und das Blut rinnt nur so aus seiner Nase.
„Shit! Er darf die Leiche nicht mitnehmen!“, schreit er, ohne jedoch jemand bestimmtes zu meinen.
Evelyn hat sich im Flur neben der Tür zusammengekauert und wagt es nicht, sich zu bewegen.
„Scheiße!“ Er zieht sich keuchend am Wohnzimmerschrank hoch. Dann stolpert er ebenfalls nach draußen auf die Veranda.
Als der Fremde ihn sieht, lässt er den toten Körper seines Freundes los und rennt weg, so gut das eben mit zwei verletzten Füßen und einem Bleistift in der Schulter geht. Er humpelt zur Auffahrt raus und ist verschwunden.
Tom hat nicht mehr die Kraft, ihm nachzulaufen.
Er stützt sich mit seinen Händen an den Knien ab und atmet durch die zusammengebissenen Zähne geräuschvoll ein und aus. Dann richtet er sich wieder mühevoll auf, geht ins verwüstete Wohnzimmer zurück und schließt die Verandatür. Da fällt sein Blick auf Evelyn. Sie kniet noch immer neben der Tür und sieht ziemlich fertig aus. Tränen laufen ihre Wange hinab.
„Geht es Ihnen gut?“ Er wischt sich die Nase mit seinem T-Shirt ab.
Sie steht auf und hat Mühe, sich auf den wackligen Beinen zu halten. Sie nickt. „Eigentlich wollte ich Ihnen nur sagen-“
„Was?“, unterbricht sie Tom unwirsch. „Wollen Sie mir sagen, dass laut Punkt drei Ihrer Liste es mir verboten ist, Ihr Haus nach zweiundzwanzig Uhr zu betreten?“ Jegliches Taktgefühl ist ihm im Moment so ziemlich
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