Der Kugelfaenger
„Die Einbrecher haben nichts mitgehen lassen. Keine Wertsachen, kein Bargeld, nichts. Die haben sich nicht mal für die relativ teuren Vasen interessiert, sonst hätte man mir keine über den Schädel gezogen.“ Er weist auf die Kratzer in seinem Gesicht, die die Scherben hinterlassen haben. „Das war ein irgendwie ganz ungewöhnlicher Einbruch.“ Ihm ist, als wären die Kerle auf der Suche nach etwas ganz Speziellem gewesen, aber das erwähnt er gegenüber O’Connell nicht.
O’Connell sagt nichts. Er sieht nur äußerst nervös zwischen Tom Hunt und seiner Schreibtischschublade hin und her, in der er den mit Whiskey gefüllten Flachmann aufbewahrt.
„Außerdem bricht doch kein halbwegs vernünftiger Mensch in ein Haus ein, in dem sich die Bewohner gerade aufhalten. Und gewusst müssen die Kerle das haben, denn der eine hat gezielt versucht, mich aus dem Weg zu räumen und-“
„Ja eben“, unterbricht ihn O’Connell aufgebracht. „Der Kerl wollte
Sie
umbringen und nicht Ihre …
Kundin
. Wenn sich jemand in Acht nehmen sollte, dann sind das wohl eher
Sie
.“
„Und was ist mit den Morddrohungen? Denken Sie, dass die auch mir gelten sollen?“ Tom blickt ihn herausfordernd an.
O’Connell richtet zum dritten Mal seinen Zeigefinger auf ihn. „Ich an Ihrer Stelle würde vorsichtig sein, mit dem was Sie sagen. Man hat Sie wegen Körperverletzung angezeigt. Ein winziger Ausrutscher und ich lasse Sie augenblicklich festnehmen und in den Knast werfen.“
Tom sollte sich in Acht nehmen. O’Connell hat seine Hausaufgaben gemacht.
„Außerdem haben Sie keinerlei Beweismaterial. Keine Briefe und noch nicht einmal die Briefumschläge. Sie haben
nichts
.“
„Wollen Sie wirklich riskieren, dass der Frau etwas passiert?“ Tom durchbohrt sein Gegenüber mit stechendem Blick. Er hat nicht vor, sich von O’Connell einschüchtern zu lassen. Und drohen lässt er sich schon zweimal nicht.
Doch O’Connell holt schon zum erneuten Gegenschlag aus. „Sie hat doch ihren Bodyguard, oder nicht?“ Er richtet den Zeigefinger erneut auf Tom. „Das ist
Ihre
Aufgabe, Mr. Hunt. Sie sind für die Sicherheit dieser Frau verantwortlich.“
„Ich möchte Sie doch lediglich darum bitten, dass Sie die Ermittlungen im Fall der Morddrohungen aufnehmen. Mehr will ich gar nicht.“
O’Connell beißt seine Zähne zusammen, um Tom nicht anzuschreien. „Ich glaube, Sie haben immer noch nicht kapiert, was ich Ihnen die ganze Zeit über versucht habe zu erklären. Ohne irgendwelche Anhaltspunkte, gibt es keine polizeilichen Ermittlungen.
Ist das klar
?“
Tom nickt demütig. „Ja, das ist klar.“
„Prima. Wenn das alles war, dann bitte ich Sie-“
„Nein, Sir, eine Frage hätte ich noch.“
O’Connell sieht ihn sprachlos an und scheint sich nicht sicher zu sein, wofür er sich entscheiden sollte: Hunt am Kragen seiner schäbigen Lederjacke zu packen und ihn nach draußen zu schleifen oder ihm zuzuhören.
Tom nimmt ihm diese Entscheidung ab. „Was halten Sie davon, wenn mich die Polizei bei meiner Arbeit unterstützt? Ich meine natürlich nur bei öffentlichen Auftritten meiner Klientin. Ich nehme die Bedrohung nämlich ernst. Momentan würde eigentlich ein Beamter ausreichen.“
„Wollen Sie wirklich wissen, was ich davon halte, Mr. Hunt?“, knurrt O’Connell fassungslos.
Tom möchte etwas erwidern, aber O’Connell lässt ihn erst gar nicht.
„Ich hoffe, Sie finden den Weg alleine nach draußen!“, bellt er mit hochrotem Kopf.
Tom sieht ein, dass es keinen Zweck hat, sich weiter mit O’Connell herumzuärgern. „Natürlich“, sagt er und kann sich trotzdem ein sarkastisches Grinsen nicht verkneifen. Dann erhebt er sich langsam von seinem Platz und bewegt sich schon fast in Zeitlupentempo zur Tür. Als er die Tür hinter sich schließt, kann er O’Connell schon wieder ins Telefon keifen hören.
***
Hi, Evelyn, du weißt, dass ich SMS nicht mag, aber du nimmst nicht ab, wenn ich es auf deinem Handy probiere. Hast du Angst, dass die Burke dran sein könnte?
Ich wollte dir nur sagen, d. ich finde, d. d. in Berlin laufen solltest. Überleg es dir gut. Du schaffst das schon. Alles Liebe, Vicky.
Liebe Vicky, du bist einfach die Beste. Küsschen, Evy.
***
„Wollen Sie mir ein wenig im Garten helfen?“ Evelyn richtet sich im Gemüsebeet auf und stützt ihren Rücken mit den Armen ab. Sie trägt einen chicen weißen Sonnenhut mit einer monströsen Krempe, die an ein Wagenrad erinnert (Sie hat nach
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