Der Kugelfaenger
Fläschchen mit rotem Nagellack aus ihrer Handtasche hervor und beginnt, ihre Fingernägel damit anzumalen.
Tom wirft ihr einen strengen Blick zu. „Muss das unbedingt sein?“
„Sie können ja aussteigen, wenn Ihnen was nicht passt.“ Mit diesen Worten klemmt sie sich das Glasfläschchen zwischen die Knie malt einfach weiter. Der Lack stinkt. Tom fächelt sich übertrieben Luft zu und sieht wieder aus dem Fenster. Kein Mensch ist zu sehen. Es scheint alles wie ausgestorben.
„Sind Sie sicher, dass wir hier schon noch richtig sind?“, fragt er Evelyn nach einer kleinen Weile.
Sie seufzt genervt auf. „Warum fragen Sie mich; er ist doch der Taxifahrer“, entgegnet sie ihm und weist mit ihrem Kopf auf den, der sich hinter das Steuer geklemmt hat. Doch auch sie hat schon seit geraumer Zeit denselben Verdacht.
„Warum fragen
Sie
ihn nicht? Sie sprechen doch ein paar Brocken Deutsch.“
Evelyn erwidert nichts darauf, sondern streicht weiterhin die Nägel mit einer Genauigkeit, für die Tom niemals die Geduld gehabt hätte.
Er hat keine Lust mehr aus dem Autofenster zu starren. Der trostlose Anblick, der ihn da erwartet, macht ihn niedergeschlagen. Also schaut er nach vorne. Und so bekommt er mit, wie der Taxifahrer möglichst unauffällig in den Seitenspiegel sieht. Das ist ihm während der Fahrt durch dieses armselige Viertel schon mehrmals aufgefallen. Das verstärkt natürlich sein eh schon vorhandenes Misstrauen, angesichts dieser Gegend, noch um einiges mehr.
Der Taxifahrer konzentriert sich wieder auf die Straße. Tom nutzt die Gelegenheit und sieht kurz über seine Schulter zur Heckscheibe hinaus. Und was er da sieht, gefällt ihm nicht besonders. Hinter ihnen fährt ein anderes Taxi her. Nicht, dass das besonders ungewöhnlich wäre, aber es hält einigen Abstand zu ihnen, ist aber trotzdem immer hinter ihnen. Und das wahrscheinlich schon seit einiger Zeit, wenn man den Taxifahrer betrachtet. Er schlägt nervös mit den Fingern ans Lenkrad und sein Blick wandert ständig hin und her. Jetzt sieht er im Rückspiegel zu Tom und Evelyn hinter.
Sie biegen nach links ab. Das andere Taxi auch. Für Tom ist alles klar. Sie werden verfolgt.
Tom setzt sich wieder normal hin und fasst in die Innenseite seines Jacketts, um möglichst unauffällig nach seiner Waffe zu tasten. Da ist sie. Er fühlt sich gleich besser. Unbeabsichtigt stößt er Evelyn seinen Ellenbogen gegen den Arm.
„Vorsicht! Können Sie nicht aufpassen?!“, faucht sie ihn sofort an. Sie ist abgerutscht und nun ziert ein roter Strich nicht nur ihren Daumennagel, sondern auch gleich noch den restlichen Finger.
„Shit!“ Sie wischt mit der anderen Hand darüber und verschmiert alles nur noch mehr.
„Oh, entschuldigen Sie.“ Er kommt ihr schon wieder mit seinen Fingern in die Quere und lässt das Glasfläschchen versehentlich umkippen. Rote Farbe tropft ihr aufs Knie.
„Mein Gott!“, sagt sie und richtet das Gefäß wieder auf. „Was ist denn los mit Ihnen?“, fragt sie mit einem ärgerlichen Stirnrunzeln.
„Nichts.“ Tom tut ihre Frage mit einer leichten Handbewegung ab, um sie nicht zu beunruhigen. Verärgert hat er sie ja genug für heute.
Evelyn hat ihre linke Hand fast fertig lackiert und Tom wieder seine Hand an seiner Pistole, als der Taxifahrer plötzlich vor einem stillgelegten Industriegelände eine Vollbremsung hinlegt. Tom und Evelyn werden gegen die vorderen Sitze geschleudert. Dabei gleitet ihr das Nagellackfläschchen aus der Hand, hinterlässt leuchtend rote Farbe auf Toms Hose und fällt dann zu Boden.
„Shit!“ Evelyn hat sich den Kopf gestoßen und versucht jetzt das kleine Glasgefäß zu erreichen, kommt aber nicht dran.
Im nächsten Moment hört Tom schon Türenschlagen. In panikähnlichem Zustand wirft er einen schnellen Blick aus der Heckscheibe. Das Taxi hat wenige Meter hinter ihnen angehalten und zwei Männer steigen aus ihrem Fahrzeug aus.
Tom zerrt die SIG Sauer aus dem Jackett.
„Fahren Sie weiter, Mann!“, brüllt er den Taxifahrer an. Doch der hört nicht auf ihn, sondern dreht sich um und hält ihm eine Waffe unter die Nase. Jetzt ist ihm klar, was hier los ist.
„Keine Bewegung!“, brüllt er in schlechtem Englisch. Dann streckt er ihm seine andere Hand fordernd hin. „Hergeben!“
Tom weiß, dass er keine andere Wahl hat, als dem Kerl seine Waffe zu geben. Er würde nicht zögern, ihm das Hirn aus dem Schädel zu blasen, sollte er sich weigern. Das kann er Evelyn nicht antun,
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