Der Kult - Cordy, M: Kult - The Colour of Blood
hinterhergereist, dann haben sie ein Stück Land gepachtet, und die Leute sind zu ihnen gekommen, und schließlich haben sie das Land hier gekauft und sich niedergelassen. Mein Großvater und auch mein Vater haben erkannt, dass sie sich ein Netzwerk schaffen und stärker anpassen mussten, um erfolgreich zu sein. Also haben sie uns auf die besten Buffer-Schulen geschickt, und plötzlich war das mothú, das Rückgrat unserer Familientradition, von einer besonderen Gabe und einer Auszeichnung zu etwas geworden, wofür wir uns schämten, eine Marotte, auf die wir alle nur zu gern verzichtet hätten. Alle bis auf Regan natürlich. Er war überhaupt nicht glücklich mit dieser Entwicklung.«
» Warum nicht?«
» Wie die meisten Delaneys habe ich eine einfache Form des mothú geerbt: Graphem-Farb-Synästhesie. Ich sehe Buchstaben und Zahlen als Farben. Das hat nicht wirklich Einfluss auf mein Leben und ich betrachtete es nicht als besonders signifikant. Aber Regan war anders, er hat behauptet, jede Form von Synästhesie zu besitzen, die man sich vorstellen konnte – und noch ein paar andere dazu.«
» Können Sie mir ein Beispiel nennen?«
» Klar. Ich kenn nicht alle Fachausdrücke, aber er hat gesagt, er sieht Buchstaben als Farben, kann spüren, was andere spüren, Auren sehen …« Connor nannte alle Formen, die Sorcha in Fox’ erster Sitzung mit ihr gezeigt hatte. » Wie gesagt, er behauptet, er hat jede Art, die man sich nur denken kann.«
» Das klingt, als glaubten Sie ihm nicht?«
» Bei Regan konnte man nie wissen, was man ihm glauben sollte und was nicht. Der Familie war das alles ein bisschen peinlich, denn wenn er tatsächlich eine neue Art des mothú besaß, dann musste es sich um eine genetische Mutation aufgrund der langen Inzucht handeln. Selbstverständlich vertrat Regan die alte traditionelle Meinung unserer Familie, dass das mothú ihn als etwas Besonderes kennzeichnete, was in seinem Fall bedeutete, dass er wirklich besonders war, einzigartig.
» Seine Überzeugung wurde noch dadurch bestärkt, dass er ausgesprochen gut aussah; er war clever, charmant und bei allen beliebt, egal wie er sich benahm. Als Kind hat er ständig Steine oder Ziegel oder irgendwelchen Müll mit nach Hause gebracht und daraus bizarre Skulpturen und Mosaike gebastelt. Er hat nie erklärt, warum er das tat. Als er älter wurde, konnte er sich die Frauen aussuchen und schlief sich durch ihre Betten, als könnte es am nächsten Tag verboten werden. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass ihn jemals eine Frau abgewiesen hat. Zu seinem seltsamen Aufreißritual gehörte es, die verrücktesten Dinge über sein mothú zu behaupten.«
» Was zum Beispiel?«
Connor runzelte die Stirn und schüttelte den Kopf. » Wollen Sie das wirklich alles wissen?«
» Bitte, erzählen Sie.«
» Als er in die Pubertät kam, hat er behauptet, er hätte bei jedem Orgasmus eine außerkörperliche Erfahrung. Regan hat geglaubt, dass seine Seele tatsächlich seinen Körper verließ, und behauptet, er könnte Dinge wahrnehmen, die sich jenseits der physischen Welt befinden, hinter dem Schleier, der Leben und Tod voneinander trennt.«
Fox hatte gelesen, dass ein Großteil der Menschen, die aussagten, schon einmal außerkörperliche Erfahrungen gemacht zu haben, Synästheten waren. » Hat man seine Behauptungen jemals genauer überprüft?«
Connor Delaney verzog das Gesicht. » Nein. Mein Bruder ist ein gewissenloser, selbstgefälliger Lügner. Er würde alles sagen und tun, bloß um sich gut dastehen zu lassen und zu bekommen, was er will. Er hat auch seine Ausbildung zum Tierarzt nur gemacht, um sich bei Dad einzuschmeicheln.«
» Was hat Ihr Vater über ihn gedacht?«
» Er war davon überzeugt, dass Regan die Sonne aus dem Arsch schien«, fauchte Connor. » In den Augen unseres Vaters konnte er nichts falsch machen. Dann hat Regan eines Tages einen Huftritt an den Kopf bekommen. Er hat sich zwar wieder davon erholt, aber seitdem hat er ständig über grässliche Kopfschmerzen geklagt und war zunehmend besessen von Sex und Tod und natürlich von seinem verdammten mothú. Er hat angefangen, Bücher über das Okkulte und über Weltreligionen zu lesen, immer auf der Suche nach etwas, das seine Überzeugungen bestätigte. Und er hat Stunden damit verbracht, das Alte Testament zu lesen. Schon mal was von den Nephilim gehört?«
» Nein.«
» Die Nephilim stehen im Alten Testament, in der Genesis und im 4. Buch Mose. Demnach wurden Engel, die
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