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Der Kunstreiter

Titel: Der Kunstreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Gerstäcker
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nehmen und mit meinem Kinde zu erziehen. Meine Frau ist allerdings noch nicht damit einverstanden und glaubt vielleicht, daß wir dadurch zu große Verantwortlichkeit auf uns nehmen. Sie wird sich aber leicht darein finden, wenn sie die liebe kleine Marie erst kennenlernt.«
    »Marie heißt sie?« rief Josefine rasch und errötend.
    »Ja, mein Kind.«
    »Und ich will ihr gern,« sagte Adele herzlich, »die Mutter zu ersetzen suchen, soweit das in meinen Kräften steht. Ich glaube auch mit Ihnen, Herr Baron, daß solche Gesellschaft einen glücklichen und segensreichen Einfluß auf Ihre Tochter ausüben wird – nicht gerechnet das gute Werk, das Sie an der verlassenen Waise üben.«
    »Ich komme jetzt dort in die Nähe,« fuhr Georg fort, »und werde das Kind wahrscheinlich gleich mitbringen. Haben Sie die Güte, alles vorzubereiten, daß es hier eine freundliche Heimat findet. Und du wirst gut mit deiner neuen Schwester sein, Josefine?«
    »O gewiß, Papa, gewiß,« rief die Kleine, die Hände zusammenschlagend, »ich freue mich so sehr – so sehr auf die – Marie!«
    »So bleibe denn hübsch brav, bis ich wiederkomme, und folge der Mademoiselle in allen Dingen. Sie meint es gut mit dir. Ich selber,« wandte er sich dann an die Erzieherin, »werde in drei, spätestens vier Tagen zurück sein, leben Sie wohl bis dahin.« Und seiner Tochter freundlich zunickend, verließ er das Zimmer.
    »Wird der Schlitten gehen?«
    »Gewiß,« sagte der Kutscher, »trotz dem Tauwetter ist doch noch alter Schnee genug liegengeblieben, und heute nacht hat es eine tüchtige Partie frischen darauf geworfen. Jedenfalls geht es besser als der Wagen.«
    Georg stieg ein und warf noch einen Blick nach den Fenstern hinauf. Die Georginens waren verhängt, und Fräulein Adeles Zimmer lag nach dem Garten hinaus, aber sie war mit der Kleinen in die dem Hofe zunächst liegende Stube gekommen, um den Vater abfahren zu sehen. Das Fenster wurde geöffnet, und Josefine bog sich heraus und winkte fröhlich herab. Der Vater grüßte hinauf, und der Schlitten klingelte lustig zum Tor hinaus, der breiten, weißgedeckten Straße folgend, und zwar in der entgegengesetzten Richtung von Schildheim fort.
    Etwa eine Stunde vom Gute entfernt, begegnete der Schlitten einem leichten Reisewagen. Ein einzelner Herr saß darin, aber so bis unter die Augen in Pelz eingehüllt, daß man seine Züge nicht erkennen konnte. Georg achtete auch nicht auf ihn, denn andere Dinge gingen ihm im Kopfe herum als sich um gleichgültige Reisende zu bekümmern. Der Fremde aber bog sich, als er an ihm vorüber war, rasch aus dem Wagen hinaus und sah ihm nach, so lange er den Schlitten noch erkennen konnte, dann sich zu seinem Kutscher wendend, sagte er: »Kanntest du den Herrn, der da eben an uns vorüberfuhr?«
    »Das war der Baron vom nächsten Gute Schildheim,« erwiderte der Mann. »Vom Dorfe Schildheim, wohin ich Sie fahren soll, liegt es kaum zehn Minuten oder ein Viertelstündchen entfernt. Sie wollten wohl den Herrn Baron besuchen?«
    »Nein,« sagte der Fremde, »überdies bleibe ich einen Tag in Schildheim, und wenn ich ja noch hinübergehen wollte, ist er bis dahin jedenfalls zurück. Er wird wohl nur auf die Jagd gefahren sein.«
    Die Sache interessierte den Kutscher zu wenig, und er antwortete nichts darauf, hieb dagegen auf die Tiere ein, um sobald wie möglich aus dem ihm immer schärfer entgegenwehenden Nordwinde undIn die warme Stube zu kommen, wo er die Gewißheit eines Rasttages hatte. Die Pferde griffen tüchtig aus, und bald konnten sie von weitem die roten Dächer des kleinen freundlichen Ortes und die weite Fläche des Sees durch die Bäume herüberschimmern sehen. Der Wagen rollte jetzt in dem flachen Tale hin, und der Kutscher, nach links hinauf deutend, sagte: »Da drüben liegt das Gut, das der Herr Baron gepachtet hat.«
    »So? – das ist Schildheim?« sagte der Fremde mit großem Interesse, »also sind wir jetzt auch gleich im Dorfe?«
    »Wird nicht mehr lange dauern – da vorn liegt's schon,« sagte der Kutscher, und während er mit leisem Schnalzen die Peitsche schwang, legten sich die Pferde von selber mehr in den Zug, als ob sie den ihrer wartenden Hafer und den warmen Stall schon witterten. Es dauerte auch nicht lange, so erreichten sie die ersten Außengebäude, und bald darauf hielt das leichte Fuhrwerk vor dem Stern, an dem sie der Wirt mit abgezogenem Käppchen bewillkommte und Gast wie Pferden vortreffliches Unterkommen versprach. Zu

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