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Der Kuss des Anubis

Titel: Der Kuss des Anubis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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starrte auf den Boden, dann zu Miu. Seine Miene blieb ein paar Lidschläge lang unbewegt, dann jedoch erhellte ein strahlendes Lächeln sein Gesicht.
    Er streckte die Hände aus, wollte das Kätzchen hochnehmen, aber es wehrte sich und hieb ihm fauchend die Kralle in den Finger.
    »Sie sieht ja genau wie Ta-Mau aus!«, rief er entzückt,
als wäre der Schmerz eine Liebkosung. »Als wäre meine geliebte Ta-Mau zu mir zurückgekommen. Und wie klein sie noch ist! So klein und doch schon eine echte Tochter Sachmets*!« Seine Haut war nur oberflächlich geritzt und also kein Tropfen königlichen Blutes vergossen.
    »Vergnügen soll sie dir schenken und unzählige Stunden des Glücks.« Miu verneigte sich, innerlich jubilierend vor Freude. »Dies soll mein Dank sein für das großzügige Geschenk, das du einem traurigen kleinen Mädchen vor vielen Jahren gemacht hast - meine geliebte Katze Pau!«
    Ich werde dich dafür entlohnen, sagten seine Augen. Sobald wir beide allein sind. Sein Blick war warm, so schmelzend, dass sie Angst hatte, im nächsten Moment zu verglühen.
    Vielleicht war sie zu sehr gebannt von diesem Blick, vielleicht war ihre innere Erregung zu groß, jedenfalls hatte sie das Kratzen der Krallen überhört, ebenso wie das Hecheln der Hunde.
    Die kleine Ta-Mau schien beim Anblick der beiden Riesen zunächst wie gelähmt, dann aber flitzte sie los, nahm Kurs auf die Beine des Pharaos, erklomm seine Waden, hangelte sich weiter am Schurz nach oben, bis sie seinen Arm erreicht hatte und von dort aus die Schulter.
    Jetzt erst, in unerreichbarer Höhe, sträubte sie das Fell, was sie dreimal so groß aussehen ließ, und stieß ein hohes, wütendes Fauchen aus.
    Die Hunde hatten die Lefzen hochgezogen und knurrten. Ihr Jagdtrieb war entbrannt. Nur der Wille Anchesenamuns und eine nicht minder eiserne Dressur hielten sie noch in Schranken.
    »Ruf deine Viecher zurück!«, befahl Tutanchamun
schmerzverzerrt. »Oder willst du, dass die neue Katze ihre Krallen bis zu meinem Schlüsselbein bohrt?«
    »Tjesem, Tjesmet - aus und Platz!«, sagte Anchesenamun und die beiden gehorchten sofort. Miu registrierte mit Unbehagen, dass die Königin durch sie hindurchschaute, als wäre sie gläsern.
    Doch was war von einer Frau schon zu erwarten, die ihre Schoßtiere »Hund« und »Hündin« nannte?
    Der Pharao löste vorsichtig Ta-Mau von seiner Schulter. Die Kleine wehrte sich zunächst, fuhr erneut die Krallen aus und strampelte wie wild, schließlich schien sie sich zu fügen und ließ sich folgsam auf seinem Sessel absetzen, immerhin in ausreichender Entfernung von den beiden vierbeinigen Bestien, die sie starr fixierten.
    »Ich dachte, ich träfe dich allein an, Goldhorus!«, fuhr Anchesenamun fort. »Länger zu warten, war mir unmöglich. Denn meine Nachricht duldet keinerlei Aufschub!«
    Zum ersten Mal entdeckte Miu winzige Nachlässigkeiten an ihr. Eine dünne dunkle Haarsträhne hatte sich gelöst und baumelte neben dem Ohr. Das Gesicht glänzte. Der Nagel ihres rechten Zeigefingers war eingerissen.Aber anstatt sie weicher oder menschlicher zu machen, wirkten selbst diese kaum sichtbaren Mängel, als wären sie von ihr inszeniert, um sie liebenswerter zu machen.
    Als sie weiterredete, war es wie im Fieber oder wie in höchster Erregung.
    »Aber warum sollen nicht auch andere von dem unvorstellbaren Glück erfahren, mit dem die Götter unsere Verbindung gesegnet haben? Unsere Gebete sind erhört worden, Tutanchamun. Kemet wird einen Erben haben. Ich bin schwanger!«

FÜNFTES KAPITEL
    S chlechtes Gewissen hatte durchaus Ähnlichkeit mit einem Sack Linsen, in den Maden geraten waren: Äußerlich war alles rein und unversehrt, während sich im Geheimen das Ungeziefer munter vermehrte und nach und nach alles verdarb. Heute meinte Miu, die Fäulnis förmlich schon zu schmecken, und sie sehnte sich inständig danach, ihr Vergehen wiedergutzumachen. Kaum war sie aus dem Palast zurückgekehrt, da schlüpfte sie gleich ins Zimmer ihrer Großmutter, unter dem Vorwand, ihr aufgelöster Zopf müsse dringend neu geflochten werden.
    Allerdings war sie nicht die Einzige, die ins Zimmer schlüpfte. Pau und ihr dunkel gestromter Sohn wussten die seltene Gelegenheit ebenfalls zu nutzen und verschwanden pfeilschnell unter dem breiten Bett.
    Raia vollendete zuerst die eigene Toilette. Mit ein paar Tropfen Rosenöl hatte sie ihr Gesicht betupft und die kostbare Essenz anschließend sorgsam eingerieben. Danach griff sie zu einem ihrer

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