Der Kuss Des Daemons
konntest dich doch gerade eben auch beherrschen und hast mich nicht gebissen«, wandte ich hilflos ein und hob meinen Arm ein Stückchen höher. Es war nicht zu fassen. Jede Sekunde konnte mein Onkel oder einer seiner Männer herunterkommen und ich diskutierte mit einem Vampir - Verzeihung, Lamia -, ob er mein Blut trinken sollte oder nicht.
Julien stieß ein Fauchen aus und schlug meine Hand weg. »Willst du es nicht begreifen, Dawn? Das eben war etwas anderes. Aber wenn ich erst von deinem Blut gekostet habe, steht die Wahrscheinlichkeit, dass ich wieder aufhören kann, ehe es für dich zu spät ist, eins zu einer Milliarde.«
»Du kannst es. Ich vertraue dir!«, versuchte ich ihm möglichst
glaubhaft
zu
versichern,
obwohl
mein
Herzschlag sich absolut nicht beruhigen wollte.
»Aber ich mir nicht! Nicht jetzt! Nicht, wenn es um dein Blut geht!«, fuhr er mich an und schüttelte in ohnmächtiger Wut die Fäuste vor meiner Nase.
Das Rasseln der Kette zwischen seinen Handgelenken und dem Kaminrost erinnerte mich an ein anderes Problem. Ich ließ unsere fruchtlose Blutdiskussion fürs Erste fallen und wandte meine Aufmerksamkeit Juliens Fesseln zu. Seinen verwirrten Blick ignorierte ich. Die Kette war durch den Kaminrost hindurchgezogen worden und ihre beiden Enden hatte jemand mit einem ziemlich massiv aussehenden Bügelschloss an den Handschellen befestigt. Julien ließ mich nicht aus den Augen, während er sich in gleichem Maß zurücklehnte, wie ich mich vorbeugte, um das Schloss genauer zu untersuchen. Ich sah ihn kurz an. Seine Zähne hatten sich ein winziges Stück weit in seinen Kiefer zurückgezogen - aber eben nur ein winziges Stück. Vielleicht war der Durst der Grund dafür, dass man ihm so deutlich ansah, was er tatsächlich war. - Oder die Kombination aus Durst und der Umstand, dass ich so dicht bei ihm war. Mein Herz beschleunigte seine Schlagzahl erneut. Juliens Zähne reagierten sofort. Seine Oberlippe kräuselte sich. Er stieß ein Stöhnen aus und lehnte sich weiter von mir fort. Ich verfluchte mich selbst und zwang meine Aufmerksamkeit zum Schloss zurück. Wenn ich noch länger herumtrödelte, würden mein Onkel oder einer seiner Männer uns garantiert erwischen.
Das Schloss war eines dieser modernen, massiven Dinger. Die Chance, dass ich es ohne so etwas wie einen Bolzenschneider aufbekommen würde, war gleich minus unendlich - und selbst mit einem ging sie vermutlich stark gegen null. Auch die Kette oder der Kaminrost boten mir keinen Angriffspunkt. Blieben nur die Handschellen. Aber die wirkten äußerst stabil. Ich sah Julien an und tippte auf das Schloss und die Handschellen.
»Weißt du, wo mein Onkel die Schlüssel hat?«
Er hob andeutungsweise die Schultern. »Ich habe keine Ahnung. Als er mir die Dinger angelegt hat, war ich nicht ganz da. Aber ich vermute, er hat sie eingesteckt.«
Frustriert sah ich mich nach etwas um, was mir geeignet schien das Schloss aufzubrechen - oder mit dem ich es zumindest versuchen konnte. Mein Blick fiel auf den Schürhaken - den jemand zusammen mit dem anderen Kaminbesteck in weiser Voraussicht außerhalb von Juliens Reichweite platziert hatte. Als ich aufstehen wollte, packte Julien erneut mein Handgelenk. Wie zuvor erstarrte ich. Seine Augen waren zu schmalen Schlitzen zusammengezogen. Doch sie hatten ihr rotes Brennen verloren und auch ihr Schwarz schien weniger bedrohlich. Sein Griff war nicht so hart wie zuvor. Ich wagte es, ganz langsam auszuatmen.
»Was hast du vor?« In seiner Stimme klang noch immer jenes Grollen mit.
Für den Bruchteil einer Sekunde war die Angst wieder da, doch ich drängte sie trotzig zurück. »Wonach sieht es denn aus?« Für dumme Fragen hatte ich wirklich keine Zeit.
»Ich will dich hier herausholen.« Ich versuchte meine Hand zu befreien. Natürlich erfolglos. - Inzwischen hätte ich es besser wissen müssen.
Entschieden schüttelte er den Kopf. »Du musst von hier verschwinden, Dawn! Sofort!«, verlangte er, ohne mich loszulassen.
»Nur mit dir!«, störrisch schob ich das Kinn vor.
Seine Finger schlossen sich fester um meinen Arm. Ein Ruck und ich fand mich fast Nase an Nase mit ihm.
»Ich bin nicht von Interesse. Du verschwindest von hier, Dawn! Jetzt!« Seine Stimme hatte sich in ein Knurren verwandelt. Ich öffnete den Mund, um zu widersprechen, aber er ließ es nicht zu. »Nein! Ich diskutiere nicht mit dir darüber.« Plötzlich war etwas Drängendes in seinem Ton.
»Du musst von hier fortgehen.
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