Der Kuss Des Daemons
Fort aus Ashland Falls. Heute Nacht noch. Niemand darf dich sehen - vor allem nicht dein Onkel oder einer seiner Männer.« Sein Griff lockerte sich und wurde sanft. Doch sein Tonfall änderte sich nicht, während er rasch weitersprach, ohne den Blick aus meinen Augen zu lösen. »Nimm den nächsten Flug nach Paris. Geh zum Place Denfert-Rochereau. Dort ist ein Zugang in die Katakomben von Paris. Einer der Fremdenführer, die die Touristen durch die unterirdischen Gänge führen, heißt Jean-Claude Salind. Such ihn, sag ihm den Namen deines Vaters und dass du eine Nachricht für den Fürsten hast. Er wird dich zu einem Mann bringen, der dir helfen kann. Zeig diesem Mann das Tagebuch deiner Mutter - du musst es holen - und nur diesem Mann. Er wird sich um dich kümmern.«
»Aber warum sollte ...«
Er gab meinen Arm frei und umfasste mein Gesicht mit beiden Händen. »Warum, kann ich dir im Moment nicht erklären. Tu einfach, was ich gesagt habe. Bitte! Du musst mir vertrauen, Dawn«, flehte er leise, ehe er mich endgültig losließ und ebenso hastig wie zuvor fortfuhr. »Unter der Speisekammer des Anwesens ist ein verborgener Kellerraum. In der Ecke ist ein Seesack. Darin findest du Geld. Nimm es und...«
»Ich weiß von dem Geld«, unterbrach ich ihn. »Und ich weiß auch von der Pistole. Aber ich werde nicht fortgehen. Nicht, ehe ich nicht weiß, was hier gespielt wird, und nicht ohne dich. - Wer bist du, Julien? Was verschweigst du noch alles?« Ich zögerte für den Bruchteil einer Sekunde.
»Warum hält mein Onkel dich hier gefangen?«
»Weil ich dich vor ihm schützen muss, mein Mädchen. Dein feiner Freund hier wurde nämlich geschickt, um dich zu ermorden«, erklärte Onkel Samuels Stimme hinter mir freundlich. Die Lampen flammten auf und tauchten alles in ihren warmen Schein. Julien fuhr mit gefletschten Zähnen zu ihm herum und fauchte, die Augen in der plötzlichen Helligkeit vor Schmerz zusammengekniffen.
Auch ich drehte mich um und schaute erschrocken zwischen den beiden hin und her.
Nur allmählich sickerte die Bedeutung dessen, was er gerade gesagt hatte, in meinen Verstand. »Das ist nicht wahr!« Die Worte sollten fest und sicher klingen, doch sie kamen fast wie eine Frage über meine Lippen. Ich sah Julien an und wartete darauf, dass er die Beschuldigung zurückwies. Er tat es nicht. Stattdessen mied er meinen Blick und fixierte meinen Onkel mit schmalen Augen, während der von der letzten Treppenstufe heruntertrat und langsam auf uns zukam. In der Mitte des Raumes blieb er stehen.
»Nein? Tatsächlich nicht? Und warum leugnet er es dann nicht?« Den Kopf ein wenig zur Seite geneigt musterte er Julien und mich mit einem seltsamen Lächeln. Etwas an ihm machte mir auf einmal Angst. »Nun, wie ist es?« Als Julien weiter schwieg, vertiefte sich sein Lächeln spöttisch. »Da siehst du es, mein Mädchen. Es ist genau so, wie ich es sagte. Dein Freund ist ein Vourdranj. - Was so viel heißt wie >Jäger<. Es sind Killer. Jeder Einzelne von ihnen. Sie töten auf Befehl.« Einer seiner Mundwinkel hob sich kurz. »Und manchmal auch für Geld.«
Ich dachte an das kleine Vermögen, das ich im Keller des alten Anwesens gefunden hatte - und die Pistole - und sah Julien an. »Das ist nicht wahr, oder?«, fragte ich in hilflosem Unglauben leise.
»So war es nicht ...« Julien verstummte gequält. Er mied noch immer meinen Blick. Meine Kehle war auf einmal eng.
»Nein? Wie war es dann?« Onkel Samuel schüttelte mitleidig den Kopf, ohne dass das Lächeln von seinen Zügen verschwunden wäre. »Ich will dir sagen, wie es war, mein Mädchen. Dein Freund ist hierhergekommen, um den Auftrag zu Ende zu bringen, mit dem eigentlich sein Bruder betraut wurde.«
»Was weißt du von Adrien? Wo ist er?« Schneller, als ich blinzeln konnte, war Julien auf den Knien. Der Kaminrost knirschte im Zement, als die Kette sich abrupt spannte. »Was auch immer du ihm angetan hast, du wirst es bereuen!«
»Du bist nicht in der Lage, mir zu drohen, Vourdranj. Und was deinen Bruder angeht ... Er wird mir nicht mehr in die Quere kommen. Ebenso wenig wie du nach heute Nacht.«
Mit einem wütenden Schrei riss Julien an seinen Fesseln. Ich machte einen fassungslosen Schritt zurück.
»Heißt das, du hast Juliens Bruder ... getötet?« Das hier war ein Albtraum. Gleich würde ich aufwachen. Ich musste aufwachen.
Onkel Samuel kam auf mich zu, blieb aber stehen, als ich vor ihm zurückwich. »Ich hatte keine andere Wahl, Dawn.
Weitere Kostenlose Bücher