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Der Kuss Des Daemons

Der Kuss Des Daemons

Titel: Der Kuss Des Daemons Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Raven
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ich auf und rannte hinter ihm her. Mrs. Squires befahl mir zurückzukommen, doch ich ignorierte sie.
    Ich fand Julien im Gang zur Biologiesammlung. In dem verlassenen, stillen Korridor klang sein schmerzerfülltes Keuchen unglaublich laut. Er lag auf den Knien, das Gesicht zur Wand und hielt die Hände vor die Augen gepresst. Als ich mich ihm näherte, erstarrte er.
    »Verschwinde!«, tauchte er feindselig.
    »Ich bin's, Dawn«, nicht gewillt, mich von ihm einschüchtern zu lassen, kauerte ich mich neben ihn.
    »Du sollst verschwinden!«, verlangte er erneut, nicht weniger heftig als zuvor, das Gesicht immer noch zur Wand hin, und versuchte mich fortzustoßen. Seine Hand kam nicht einmal in meine Nähe. Großer Gott, er war regelrecht blind. Stöhnend drückte er beide Hände wieder vor die Augen.
    Behutsam fasste ich seinen Arm. »Komm, ich bring dich zur Schulschwester.« Ich spürte, dass er zitterte, und versuchte mir gar nicht vorzustellen, welche Schmerzen er haben musste.
    »Nein!«, wütend riss er sich von mir los und drehte sich weiter zur Wand. Den Gang entlang wurden Schritte lauter. Er spannte sich ein wenig mehr. Plötzlich glaubte ich zu verstehen, was los war. Erneut fasste ich seinen Arm und versuchte ihn vom Boden hochzuziehen.
    »Komm mit! Ich weiß einen Raum, der dunkel ist. Nun komm schon! Niemand wird dich sehen. Ich halte sie von dir fern, versprochen«, drängte ich. Eine halbe Sekunde wehrte er sich noch, doch dann fügte er sich und kam schwankend auf die Füße. Ich zog ihn mit mir, ein Stück den Korridor hinunter und in den Geräteraum hinein. Nachdem ich die Tür geschlossen hatte, fiel nur noch ein dünnes Lichtband unter ihr hindurch in die Kammer. Meine Augen benötigten einen Moment, um sich an die Dunkelheit zu gewöhnen. Besen und Wischmopps lehnten zusammen mit einer Stehleiter in einer Ecke. Ein alter Lehrertisch stand an der einen Wand, an der anderen stapelten sich in einem Metallregal saubere Stoffhandtuchrollen. Es war so eng, dass man sieh kaum bewegen konnte. Ich drückte mich an Julien vorbei, der - abgesehen von seinen schmerzerfüllten Atemzügen - plötzlich vollkommen reglos stand, zerrte einige der Rollen aus dem Regal und stapelte sie in der Ecke zwischen Schreibtisch und Wand aufeinander. Dann nahm ich Julien erneut am Arm und führte ihn hinüber. Zu sehen, wie er mit einer Hand tastete, um wenigstens zu fühlen , was vor ihm war, brachte einen würgenden Klumpen in meine Kehle. Widerstandslos sank er auf die Handtuchrollen und lehnte sich in die Ecke. Das staubige Halbdunkel schien ihm gutzutun. Ich zögerte eine Sekunde, ehe ich mich zu ihm auf den Boden kniete, mit sanfter Gewalt seine Hände von seinen Augen zog und versuchte eines seiner Lider zu heben. Mit einem Laut, halb Knurren, halb Stöhnen, riss er den Kopf zurück, stieß mich von sich und vergrub sein Gesicht erneut in den Händen. Ich hatte nicht mehr als einen flüchtigen Blick auf sein Auge werfen können. Doch selbst dieser kurze Moment hatte genügt, um sogar in diesem Licht zu sehen, dass sein Augapfel blutrot war. Weder die Iris noch die Pupille waren mehr zu erkennen. Ich rappelte mich vom Boden auf. »Vergiss das mit der Schulschwester. Ich bring dich sofort zu einem Arzt.«
    »Nein!« Heftig sprang er auf. Dabei stieß er sich hart an der Tischkante. Er schien es kaum zu merken, sondern tastete mit vorgestreckten Händen nach mir. Die Augen hielt er fest zusammengepresst.
    »Sei doch ... Au.« Als habe meine Stimme ihm auf den Millimeter genau verraten, wo ich stand, war er herumgefahren. Seine Hand hatte ganz leicht meinen Arm gestreift, dann hatte er zugepackt und sie wie eine Stahlklammer über meinem Ellbogen geschlossen.
    »Kein Arzt! Verstanden? - Verschwinde! Ich komm schon alleine klar.« Er gab mir einen Schubs in die Richtung, in der er wohl die Tür vermutete. Zu meinem Pech irrte er sich. Ich prallte äußerst schmerzhaft gegen das Metallregal.
    »Warum nicht?« Ich rieb meine Schulter. »Deine Augen sehen furchtbar aus. Was, wenn sie ernsthaft verletzt sind?«
    »Ein Arzt kann mir auch nicht helfen«, erklärte er nach einem kurzen, wütenden Zögern. Durch die Tür gedämpft erklangen auf dem Gang draußen Stimmen. Julien wandte das Gesicht blind in ihre Richtung. »Wenn du etwas für mich tun willst, dann halt mir die Squires und die Schulschwester und alle anderen vom Hals.« Sein Ton sagte nur zu deutlich, wie sehr es ihm widerstrebte, mich allem darum zu bitten.
    Ich

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