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Der Kuss des Engels: Roman (German Edition)

Der Kuss des Engels: Roman (German Edition)

Titel: Der Kuss des Engels: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lukas
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doch sie widerstand der Versuchung, ihn zu berühren. Rasch wandte sie den Blick ab, um sich wieder zu fassen. Bis zu diesem Augenblick hatte sie nicht begriffen, was das Wort »Verführer« bedeutete. Und warum man ihn lieben konnte, obwohl man wusste, dass er einer war.
    »Wie ist es passiert?«, fragte sie in das Schweigen hinein. »Ich meine, warum …«
    »Welches verdammungswürdige Vergehen ich begangen habe?« Der Sarkasmus in seiner Stimme war unüberhörbar. »Ich habe Gott gespielt.«
    Was soll das nun wieder heißen?  
    »Es heißt, dass ich ihm ins Handwerk gepfuscht habe. Das Urteil über diesen Kerl war gefällt. Er sollte sterben. Auch wenn du das nicht glauben willst: Engel sind nicht nur dazu da, um Menschen aus der Not zu retten oder ihnen Botschaften zu überbringen. Wirf einen Blick in die Bibel! Dort kannst du es nachlesen, wenn du mir nicht traust. Engel sind auch das Schwert Gottes. Sie üben in seinem Namen gerechte Rache. Zumindest ist es so vorgesehen. Ich fand, dass der Kerl den Tod nicht verdient hatte.«
    »Wer sollte sterben? Wofür?«
    »Du kennst ihn nicht. Ein kleiner Fisch, Drogendealer, hier in Paris. Er hatte Ärger mit seinen ›Vorgesetzten‹. Schuldete ihnen Geld, weil er es selbst verprasste. Ein paar Schläger lauerten ihm nachts in der Métro auf, um ihm eine Lektion zu erteilen. Aber sein Schicksal war schon besiegelt. Er sollte auf den Gleisen landen, bevor der letzte Zug kam. Ich habe es verhindert. Anstatt dafür zu sorgen, dass sie ihn im richtigen Moment schubsen, habe ich ihm dazu verholfen, sich losreißen und fliehen zu können. Nicht, dass du jetzt glaubst, er hätte das verdient, weil er so nett war. Er lügt und betrügt, wo er kann. Und wenn er sich’s erlauben kann, schlägt er auch zu, um an Geld zu kommen. Ich bin kein Held, der ein unschuldiges Opfer gerettet hat.«
    »Ja, aber … Das war alles? Du hast dich geweigert, bei einem Mord zu helfen?«
    Wieder lächelte er zynisch. »Falsche Anklage. Ich habe Gottes Ratschluss infrage gestellt. Das ist Hochmut. Und der kommt bekanntlich vor dem Fall. Ich bin dafür bestraft worden, dass ich meine eigene Moral höher gestellt habe als jene, die über jede Kritik erhaben ist.«
    »War dir das denn in jenem Augenblick bewusst?«
    »Ja, einem Engel ist das in einem ganz anderen Ausmaß bewusst als einem Menschen. Wir wissen, dass wir nicht ein einziges Mal fehlgehen dürfen.«
    »Und du hast es trotzdem getan.«
    »Ich konnte nicht gegen meine tiefste Überzeugung handeln.«
    Sie musste unwillkürlich lächeln. »Weißt du was? Rafael Wagner hätte genau dasselbe getan.«

A   m späten Nachmittag wäre Sophie froh gewesen, wenn sie immer noch nur eine weiße Handfläche gehabt hätte. Mittlerweile sprenkelten feine Farbspritzer nicht nur ihre Beine und Arme, sondern auch Haare und Gesicht. Hinzu kam ein großer Klecks, wo der Kittel den Po bedeckte, den ein Klaps mit Pascals Rolle hinterlassen hatte. Die Vergeltung für eine schnippische Antwort, wie er behauptete. Sophie hatte seine Frage, warum sie sich mit so einem alten Griesgram abgab, mindestens ebenso frech gefunden. Was für ein Glück, dass er nicht auch ihre Gedanken lesen konnte. Hätte er gewusst, was ihr gerade durch den Kopf ging, wäre ein neuer Flirtversuch unvermeidlich gewesen, obwohl sie in blauen Füßlingen aus Plastikfolie sicher nicht sexy aussah. Aber Pascal gehörte wohl zu jenen Männern, die mit jeder Frau schäkern mussten.
    Diese Überzieher hatten sie auf eine Idee gebracht. Wenn sie nur deshalb nicht mit Rafe zusammen sein durfte, weil die Gefahr der Zeugung bösartiger Wesen bestand, konnten dann nicht Verhütungsmittel Abhilfe schaffen? Sie schüttelte den Kopf über sich selbst. Wie dämlich – oder verliebt – musste man sein, um das auch nur in Erwägung zu ziehen? Klar, ich vertraue einem Dämon, dass er rechtzeitig ein Kondom überzieht. Beinahe hätte sie aufgelacht. Doch von der Tatsache abgesehen, dass ihr keine Verhütungsmethode einfiel, die als hundertprozentig sicher galt, ahnte sie auch, dass die Dinge in diesem Fall nicht so einfach lagen. Eine Vereinigung von Mensch und Engel – sei er nun gefallen oder nicht – erfolgte vermutlich nicht nach rein biologischen Gesetzen.
    Sie führte die Rolle ein letztes Mal über eine der unteren Ecken der Wand und betrachtete das Ergebnis. Es sah aus, als gebe es keine trockenen Flecken mehr. »Ha! Ich bin fertig«, entfuhr es ihr. Gegen den Widerstand ihrer Beine

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