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Der Kuss des Jägers

Der Kuss des Jägers

Titel: Der Kuss des Jägers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lukas
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gewesen
war. Auf den Aufstellern mit den Spezialitäten des Tages und den Angeboten kompletter
Menüs prangten ein paar neue Gerichte, ansonsten hatte sich seit seinem letzten
Besuch nicht viel verändert. Die Renovierung, die Florence so gut wie in den
Ruin getrieben hatte, stand dem La Martinique noch
immer gut zu Gesicht, auch wenn nicht mehr alles brandneu aussah. Durch die
weit geöffneten Türen wucherten Stühle und kleine Tische auf den Bürgersteig,
und Blumenkübel verliehen dem Ganzen eine freundliche Note, obwohl die Pflanzen
offenbar einen grünen Daumen vermissten. Es hätte Jean auch erstaunt, wenn
Florence ein Händchen für Blumen gehabt hätte. Wahrscheinlich waren die
Einzigen, die in ihrer Obhut nie eingingen, solche aus Plastik. Er schätzte,
dass die Kübel eine Idee ihrer Tochter gewesen waren, die die meiste Zeit des
Jahres beim Vater auf der Karibikinsel Martinique verbrachte, wo auch Florence
einige Jahre gelebt hatte. Alles in allem sah das La
Martinique nach einem harmlosen, einladenden Lokal aus. Das ideale Versteck. Oder zumindest wäre es das gewesen,
wenn Florence in ihren Geldnöten nicht immer wieder nach »kreativen« Lösungen
gesucht hätte.
    Er überquerte die Straße, überflog zum Schein noch einmal die
Angebote des Tages und trat ein. Die von Balken durchzogene Decke war so
niedrig, dass er instinktiv den Kopf einzog, obwohl es nicht nötig war. Durch
allerlei Zierrat und Lampen, die von dort herabhingen, wurde der Eindruck noch
verstärkt. Dass der kleine Gastraum dennoch nicht wie eine Höhle wirkte, war
den vielen Spiegeln und den offenen Türen zu verdanken. Der Geruch nach Pizza
und gebratenem Fleisch ließ Jeans leeren Magen rumoren. Er hatte seit dem
späten Frühstück, das Alex ihm mitgebracht hatte, nichts mehr gegessen. Ein
großer, dunkelhäutiger Kellner nickte ihm zu und balancierte volle Teller an
ihm vorbei nach draußen. Dahinter tauchte eine geschäftige Kollegin auf, die
Jean bekannt vorkam, doch ihm fiel kein Name zu dem rundlichen,
sommersprossigen Gesicht ein.
    »Bonjour, Monsieur. Wünschen Sie zu speisen?«
    Für einen Absacker an der Bar wäre es nun
wirklich früh, dachte er und machte eine abwehrende Geste, während sein
Blick nach Florence suchte. »Nein, ich …« Er entdeckte ihre schlanke Gestalt
hinter dem Tresen, der zur Linken fast die komplette Wand einnahm. »Ich will
nur die Chefin sprechen.«
    Angesichts seines Aufzugs sah die Kellnerin ihn seltsam an, gab
jedoch den Weg frei, als er auf Florence zuhielt. Ganz die
Alte. Ihr einen Ton zu grelles Top, das farblich zum Nagellack passte,
enthüllte reichlich solariumgebräunte Haut. Das mittlerweile wohl gefärbte, von
blonden Strähnen durchzogene Haar hatte sie aufgesteckt, und um den Hals trug
sie noch immer die Kette mit dem auffälligen goldenen Kreuz.
    »Bonsoir, Monsieur. Darf’s ein Drink sein?«
    Er merkte, wie sie ihn hinter der unverbindlichen Miene taxierte.
»Wenn er aufs Haus geht.«
    Ihr erstauntes Gesicht verriet, dass sie ihn nicht erkannt hatte.
Sie öffnete den Mund zu einer vermutlich schlagfertigen Antwort, denn er
wusste, dass sie nie um eine Erwiderung verlegen war, doch er ließ ihr keine
Zeit.
    »Können wir reden?«, fragte er und zog die Sonnenbrille dabei so
weit hinunter, dass sie seine Augen sehen konnte. »Allein?«
    »Ach, du bist das! Wie läufst du denn rum, sag mal?« Kopfschüttelnd
musterte sie ihn.
    Rasch schob er die Brille wieder nach oben und sah sich nervös um.
»Könntest du ein bisschen mehr Diskretion walten lassen? Ich darf nicht erkannt
werden.«
    »So? Na, du musst es wissen. Komm mit raus, dann mach ich eben
Zigarettenpause.«
    »Geht es auch privater als auf der Straße?«, drängte er, noch bevor
sie hinter dem Tresen hervorkam. »Ich möchte wirklich nicht gesehen werden.«
    Sie hob die Brauen und schien allmählich zu verstehen. »Also schön,
gehen wir nach unten.«
    Er folgte ihr die Kellertreppe hinab, wo nicht nur die Toiletten des
Lokals, sondern auch einige weitere Türen von einem engen Gang abzweigten. Das
von außen eher schmal und unscheinbar wirkende Haus barg in seinem Innern ein
wahres Labyrinth, das zahllose Umbaumaßnahmen vergangener Zeiten hinterlassen
hatten. Wie Jean von seiner Arbeit für Florence wusste, war es so verwinkelt,
dass man sich verlaufen konnte, und es hätte ihn nicht gewundert, wenn eine der
Türen in den Keller des Nachbarhauses oder zu einer Treppe in den Untergrund
geführt hätte.
    Stattdessen ging

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