Der Kuss des Killers
dürfen. Aber das dürfen sie nach wie vor. Was sich vermutlich auch in Zukunft niemals ändern wird. Was haben die Leute davon?«
»Eine billige, gemeine Form der Erregung.« Er strich ihr begütigend über den Nacken. Sie wusste, wie es war, gefesselt und hilflos dem Missbrauch durch einen anderen Menschen ausgeliefert zu sein. Das war weder Kunst noch unterhaltsam. »Wir brauchen uns das nicht länger anzusehen.«
»Was bringt sie dazu? Was bringt eine Frau dazu, sich, egal ob im Rahmen einer Simulation oder in Wirklichkeit, derart benutzen zu lassen? Warum tritt sie ihm nicht einfach in die Eier?«
»Sie ist nicht du.« Er küsste sie auf die Braue und führte sie entschieden von dem grausigen Schauspiel fort.
Inzwischen reckten zahllose Gäste die Köpfe über das Geländer, um die Show zu sehen.
Eve und Roarke nutzten die Zeit, um sich in der oberen Etage genauer umzusehen, als plötzlich eine Frau in einem bodenlangen schwarzen Kleid neben ihnen erschien. »Willkommen in der Meister-Lounge. Haben Sie eine Reservierung?«
Jetzt hatte Eve endgültig genug und sie zog ihren Dienstausweis hervor. »Es interessiert mich nicht, was Sie hier verkaufen.«
»Gutes Essen und Wein«, erklärte die Hostess, nachdem sie beim Anblick der Polizeimarke unmerklich nach Luft gerungen hatte. »Sie werden feststellen, dass alles, was wir tun, erlaubt ist, Lieutenant. Falls Sie trotzdem mit der Eigentümerin sprechen möchten – «
»Das habe ich bereits getan. Jetzt geht es mir um Lobar. Wo finde ich ihn?«
»Er arbeitet nicht auf diesem Level.« Die Subtilität und Diskretion, mit der sie Eve zurück in Richtung Treppe führte, hätte selbst den Empfangschef des elegantesten Etablissements der Stadt mit Stolz erfüllt. »Wenn Sie wieder nach unten gehen, wird man Sie dort empfangen und an einen Tisch bringen. Ich werde währenddessen Lobar kontaktieren und ihn zu Ihnen schicken.«
»Gut.« Eve sah die attraktive Mittzwanzigerin fragend an. »Warum tun Sie das hier?« Sie blickte auf einen der Bildschirme, auf dem eine schreiende Frau zu sehen war, die sich dagegen zu wehren versuchte, dass man sie auf einen Stein aus schwarzem Marmor band. »Wie können Sie das tun?«
Die Hostess blickte auf Eves Ausweis, fragte lächelnd zurück: »Wie können Sie das tun?«, und wandte sich zum Gehen.
»Ich nehme die Sache persönlich«, gab Eve während der Rückkehr in die untere Etage unumwunden zu. »Und ich weiß, das ist nicht gut.«
Die Musik wurde zunehmend wilder, doch die Live-Performance wurde durch das Geschehen auf einem riesigen Bildschirm über der Bühne ersetzt. Es bedurfte nur eines kurzen Blickes und Eve wusste, wieso. Der Club hatte keine Lizenz für Live-Darbietungen sexueller Akte, was er durch den Einsatz von Videofilmen umging.
Die Sängerinnen waren immer noch gefesselt und sangen sich immer noch die Kehle aus den Leibern, doch inzwischen waren sie hinter der Bühne und wurden zusammen mit dem Kerl aus dem Publikum und einem zweiten Mann, der abgesehen von der reich verzierten Maske eines wilden Ebers vollkommen unbekleidet war, gefilmt.
»Schweine«, war alles, was Eve dazu zu sagen hatte, und plötzlich blickte sie in zwei glühend rote Augen.
»Bitte folgen Sie mir zu Ihrem Tisch.« Der junge Mann bedachte sie mit einem Lächeln und stellte dabei zwei Reihen strahlend weißer, künstlich angespitzter Reißzähne zur Schau. Dann drehte er sich um und Eve entdeckte, dass sein schwarzes, in den nackten Rücken fallendes Haar mit flammend roten Spitzen versehen war. Er öffnete die Rundbogentür zu einer der Röhren und betrat vor ihnen den kleinen, abgeschirmten Raum.
»Ich bin Lobar.« Wieder verzog er den Mund zu einem Grinsen. »Ich hatte Sie bereits erwartet.«
Ohne die Vampirzähne und die dämonischen Augen wäre er vielleicht hübsch gewesen, so jedoch wirkte er wie ein zu Halloween verkleidetes, zu groß geratenes Kind. Wenn er bereits volljährig war, dann sicher erst seit kurzem. Er hatte eine schmale, unbehaarte Brust und schlanke Arme wie die eines jungen Mädchens, doch es war nicht die rote Färbung seiner Augen, die ihm die Unschuld raubte. Es war sein kalter Blick.
»Setzen Sie sich, Lobar.«
»Sicher.« Er warf sich lässig auf einen Stuhl. »Ich nehme an, dass Sie mich auf einen Drink einladen werden«, erklärte er Eve. »Sie beanspruchen mich während meiner Arbeitszeit, also werden Sie dafür bezahlen.« Er wählte etwas aus der elektronischen Getränkekarte und rückte seinen
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