Der Kuss Des Kjer
Streifen unter dem Bund seiner Hose - Ahmeers Brust ist glatt und unbehaart ... und schmaler -, doch auf dem dunklen Goldton der Haut waren auch hier deutlich die Spuren von Narben zu sehen. - Narben, die noch nicht besonders alt sein konnten.
Auf Bauch und Brust hatten Brandeisen ihre Zeichen hinterlassen; daneben mussten sich scharfe Zangen in sein Fleisch gegraben haben. Eine gerade, fast zwei Fingerbreite und etwa dreimal so lange Narbe ließ sie die Stirn runzeln, bis sie begriff
- man hatte ihm hier einfach in einem breiten Streifen die Haut abgezogen. Die empfindlichen Flanken waren mit geraden Schnittnarben überzogen, die ebenso von einer Peitsche wie von einem scharfen Stock stammen konnten. Das Grauenvollste aber war das Brandzeichen auf der linken Brust, knapp neben der Brustwarze, obwohl es nicht größer war als ein Siegel - ein auf der Schwanzflosse stehender Delfin. Sie schloss die Augen für einen Herzschlag. >Wahrscheinlich habe ich mich auch geirrt, als Astrachars Heermeisterin - wie heißt sie doch gleich, ... Eliazanar? - ihr persönliches Siegel in mein Fleisch brannte; zum Andenken an sie. < Sie hatte ihm nicht geglaubt - nun hatte sie den Beweis. Nur mit Mühe konnte sie den Blick davon abwenden. Beiläufig registrierte sie, dass seine Arme mit einer Gänsehaut überzogen waren. Fror er? Als sie zu ihm aufsah, entdeckte sie, dass er sie beobachtete, und spürte, wie Hitze sich in ihren Wangen einnistete. Hastig richtete sie sich auf und wandte ihre Aufmerksamkeit wieder seiner Schulter zu. Der dunkle Fleck auf seiner Haut, dort, wo der Arm in die Schulter überging, war ihr schon einmal aufgefallen – und plötzlich wusste sie, wo sie einem solchen Mal früher schon einmal begegnet war: Fürst Rusan hatte an genau der gleichen Stelle ein Blutmal, das - wenn ihre Erinnerung sie nicht täuschte -diesem hier ähnlich sah. Verstört schaute sie ihm ins Gesicht. Er erwiderte ihren Blick mit einer fragend gehobenen Braue. Hastig schüttelte Lijanas den Kopf und griff nach seinem Handgelenk und dem Ellbogen. »Es wird wehtun!«, warnte sie, zog, ohne sein Nicken abzuwarten, den Ellbogen nach innen und schob ihn gleichzeitig mit aller Kraft nach oben. Mordans Züge blieben vollkommen unbewegt, obwohl sie sicher war, dass es grausam schmerzen musste; nur ein fahler Schweißtropfen glitzerte in seinem schwarzen Fell und rann an seiner Schläfe abwärts. Einen schier endlosen Augenblick geschah gar nichts, dann gab das Gelenk plötzlich ein leises Knirschen von sich und der Arm war eingerenkt. Mit einem tiefen Atemzug richtete sie sich auf und strich sich einige lose Haarsträhnen aus der Stirn. Er sah sie noch immer schweigend an, aber in seinen Mundwinkeln schien der Hauch eines Lächelns zu nisten. Das allein reichte, um dieses seltsam warme Gefühl in ihrem Bauch entstehen zu lassen. Bei der Gnade der Göttin, was ist nur mit mir los? Fahrig fuhr sie sich noch einmal durchs Haar.
» Ich werde Euch den Arm an der Seite festbinden ... «
»Nein!«
Verblüfft blinzelte sie. Noch keiner ihrer Patienten hatte es gewagt ... » Ihr dürft die Schulter nicht bewegen, deshalb ist es besser ... «
» Ich werde die Schulter nur dann bewegen, wenn es sich nicht vermeiden lässt.
Aber Ihr werdet mir den Arm nicht festbinden. « Das letzte Wort klang geradezu angewidert.
Lijanas seufzte. Inzwischen wusste sie, dass jeder Versuch, mit ihm darüber zu diskutieren, Zeitverschwendung war. »Also gut. Aber Ihr werdet den Arm in den nächsten Tagen in einer Schlinge tragen, um die Schulter zu entlasten. « Ein gnädiges Neigen des Kopfes bekundete sein Einverständnis und sie schaute sich nach etwas um, woraus man eine Schlinge machen könnte. Ihre Wahl fiel auf eines der Leintücher, die neben der Waschschüssel lagen.
Schließlich begutachtete sie ihr Werk kritisch und kam zu dem Schluss, dass es halten würde. »Ihr dürft die Schulter in den nächsten Tagen wirklich nicht belasten, Kjer. Und auch danach wird sie noch eine ganze Zeit sehr empfindlich sein. - Ich werde sie Euch nachher mit Wasserblütensalbe einreiben, das wird den Muskeln und Sehnen helfen, sich zu erholen. « Sie musterte ihn einen langen Moment, währenddessen er ihren Blick schweigend erwiderte. Damit kann er einen wahnsinnig machen! » Hatte Euer Vater auch so ein Mal?« Sie wies auf seine Schulter. Für einen Atemzug wirkte er verblüfft, dann war seine Miene wieder kühl.
»Ich weiß nicht, wer mein Vater ist«, erklärte er so
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