Der Kuss Des Kjer
Trümmerstücke bedeckten nahezu den ganzen Boden. Etwas wie ein glitzernder Spiegel befand sich in der Mitte, direkt unter einer runden Öffnung in der Felsenkuppel, durch die Mondschein hereinfiel. Ein breiter Rand aus schwarzem Stein, auf dem im silbrigen Licht hell ineinander verschlungene Zeichen gleißten, umgab ihn. Fünf steinerne, spitz zulaufende Säulen reckten sich um ihn zur Kuppel empor. Ebenso schwarz wie die Säulen und die Einfassung des Spiegels, war der schwere Steintisch hinter ihnen, auf dem ein schlanker Mann in einer hellen, golddurchwirkten Robe die geflammte Klinge eines Dolches in den Leib eines Jünglings stößt. Blut strömt über den Rand des Steins, fließt durch eine Rinne im Boden zwischen den Säulen hindurch und färbt das Wasser des Teiches. Angsterfülltes Wimmern erfüllt die Kuppel aus unzähligen Kehlen, während doch kein Laut zu hören ist. Er dreht sich um, fahl glänzen Reißzähne, Augen wie der Sturm gleiten über die Menschen, die voller Grauen am Boden kauern - Schlachtvieh für den Gott. Schatten mit grün glimmenden Augen schleichen durch das Rund. Ein Zeichen und ein anderes Opfer wird aus der Herde gezerrt, nimmt den Platz des Jünglings ein …
... ineinander verschlungene Zeichen gleißen auf einem Rand aus schwarzem Stein.
Wispern und Raunen ist in der Luft. Sie kommen, gerufen von der weißen Schlange, um das Tor zu versiegeln, hinter dem jener gefangen ist, in dessen Namen sie gemordet wurden. Seelen, hilflos an einen verfluchten Gott gekettet, der sich von ihrem Leben nährt. Gefangen an einem Ort des Grauens, kennen sie nur Hass auf jene, die leben - doch die Macht der Hexe zwingt sie, dem Ruf zu folgen. Zischelnd und lachend zerren sie an der, die sie erinnert, dass sie einmal Menschen waren. Ihre Seele als Preis für den Dienst. Kälte durchfährt alles Leben. Inmitten von Frost und Geheul gibt es nur sie und ihre Krieger, deren Leben sie halten. Sie ist die Seele - ihre Liebsten sind die Kraft! Eins!
Krankfahler Dunst steigt aus dem Teich, wirbelt, wird Gestalt. Das Kreischen eines Gottes erzittert in der Felsenkuppel, Eis zersplittert, die Erde bebt, ein glänzender Spiegel schließt sich, Gleißen sammelt sich zu schimmernden Perlen - geronnene Stille ...
... zerrissen vom hellen Greinen eines Säuglings. Der Dolch in der Hand des Mannes ist rot vom Leben eines anderen Kindes. Das Weinen steigert sich zum Schrei, A Blut über die Stirn des Neugeborenen rinnt. Mit einem unschuldigen Leben dem Gott geweiht, zum Dieb bestimmt ...
... Wispernde Stimmen in einer Sprache, die nicht die ihre ist, und doch versteht sie das Wort. >Flieh! <
Mit einem Keuchen taumelte Lijanas, zuckte zurück, als Ladakhs Hand sich um ihren Arm legte. Seine Berührung war kalt und schien die Wärme aus ihr zu ziehen wie das Flüstern der Gestalten jenseits von Kassens Klamm. Ein spöttisches Lächeln glitt über seine schmalen Züge, brachte seine blauvioletten Augen zum Glitzern, während er sie vorwärtszog.
»Wenn Ihr keine Seelenhexe seid, meine Liebe, bin ich kein Hathenan. - Ihr seid eine wahre Erbin der weißen Schlange. Bedauerlich für Euch, dass Eure Mutter wohl nicht lange genug lebte, um Euch zu lehren, Eure Gabe zu beherrschen. - Was allerdings nicht bedauerlich für mich ist.« Er leckte sich die Lippen. » So seid Ihr mir nützlicher. - Kommt, ich will Euch zu unserem anderen Gast führen, ehe ich Euch erkläre, was Ihr zu tun habt.«
»Was ... wisst Ihr von meiner Mutter?« Wie Krallen bohrten sich Ladakhs Finger in ihren Arm.
»oh, nichts. Außer, dass sie eine Närrin gewesen sein muss. Eine Närrin, der ich außerordentlich dankbar bin. Denn immerhin hat sie Euch geboren. Zu einer Zeit, zu der sich alles wunderbar zusammenfügte, wie die Teile eines großen Mosaiks. Seit unzähligen Wintern verdunkeln sich die Monde endlich wieder gegenseitig. Es gab einen, den die Seelen jenseits der Klamm fürchten würden und den ich mit Euch hinüberschicken konnte, damit er dafür sorgt, dass sie Euch nicht auslöschen wie all die anderen vor Euch. «
»Mordan.«
»Ja, meine Liebe: Mordan.« Er gluckste leise. »Schon als er geboren wurde, war mir klar, dass er mir nützlich sein würde. Und so habe ich Haffren, diesen Narren, davon überzeugt, ihn am Leben zu lassen - und dafür gesorgt, dass aus ihm ein Mann gemacht wird, der jeden Befehl befolgt. « Sein Blick entlockte ihr ein Schaudern.
»Nun, und dann bringt er mir Euch, mit einer Haut schimmernd wie Silber
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