DER KUSS DES MAGIERS
freundlicherweise den Safe öffnen?“
Noch immer hielt Lugo ihre Hand, sonst hätte Sina sich längst umgedreht und wäre hinausgegangen. Sie brauchte dringend frische Luft. Ihre Knie fühlten sich ganz weich an, sie zitterte leicht, und mittlerweile bekam sie Kopfschmerzen. Außerdem war sie entsetzlich müde und einfach nicht mehr in der Lage, die Initiative zu ergreifen.
Also lehnte sie sich an den Türrahmen und beobachtete ohne großes Interesse, was weiter passierte.
Mr. Kaynes ging zu einem in der Wand eingelassenen Safe und drehte das große Schloss mehrmals in verschiedene Richtungen.
Wie im Film, dachte Sina. Die ganze Situation kam ihr immer unwirklicher vor. War das alles wirklich gerade geschehen, oder hatte sie nur einen besonders realistischen Traum und würde bald aufwachen?
Als der Safe offen war, nahm der Theaterleiter einen schwarzen Lederkoffer heraus und reichte ihn Mr. Selzig. Dieser legte ihn auf den einzigen freien Tisch im Raum, auf dem auch eine Kaffeemaschine stand, drehte wiederum an den angebrachten Zahlenschlössern und öffnete ihn schließlich.
Jetzt hatte Sina endgültig das Gefühl zu träumen. In dem Koffer lagen Bündel von 100-Dollar-Noten, fein säuberlich nebeneinander gestapelt. Jedes Bündel wurde von einer Banderole zusammengehalten, auf die die Zahl 1000 gedruckt war.
Mr. Selzig nahm fünf der Bündel heraus und reichte sie Lugo. „Das hier ist LeNormands Gage für den kommenden Monat. Aber da er ja jetzt gefeuert ist, ist er auch von der Lohnliste gestrichen.“
Lugo steckte das Geld seelenruhig in die Innentasche seines Sakkos – und streckte dann die Hand wieder aus. „Heute ist der 29. Ich finde, dieser Möchtegernzauberer sollte auch für den laufenden Monat keine Gage bekommen, bei dem, was er sich geleistet hat. Sie haben doch Ihre Künstler bestimmt noch nicht ausgezahlt?“
Der Manager seufzte, griff aber tatsächlich noch einmal in den Koffer und nahm weitere fünf Geldscheinbündel heraus.
Als er sie Lugo gab, sah er ihm fest in die Augen. „Ich bin sicher, dass alle eventuellen Schäden, die Ihre Freundin erlitten haben könnte, damit mehr als ausgeglichen sind.“
„Ja, das erscheint mir auch so“, erwiderte Lugo freundlich und verstaute auch das Geld. „Vielen Dank, meine Herren. Wir werden wie versprochen kein Wort mehr über den Vorfall verlieren. Wenn sich dieser Typ allerdings noch einmal in der Nähe meiner Freundin blicken lässt, kann ich für nichts garantieren. Guten Abend.“
Er drehte sich um, ging hinaus und zog Sina mit sich. Sie folgte ihm, ohne sich noch einmal umzusehen.
3. KAPITEL
Sina hätte nicht mehr gewusst, in welcher Seitenstraße Lugo geparkt hatte. Wäre sie allein gewesen, wäre sie einfach nach Hause gelaufen. Doch Lugo nahm besorgt ihren Arm, als er merkte, dass sie nicht ganz bei sich war, und sie trottete ergeben neben ihm her.
Als er ihr auf den Beifahrersitz geholfen hatte und hinter dem Lenkrad saß, betätigte der die Zentralverriegelung, schaute Sina an und grinste breit.
„Herzlichen Glückwunsch, Mylady . Dank der unglaublichen Unfähigkeit dieses Zauberers sind Sie soeben um 10.000 Dollar reicher geworden.“
Er zog die Geldbündel aus seinem Sakko und warf sie ihr eins nach dem anderen in den Schoß.
„Aber …“, protestierte Sina schwach.
„Ja, ich weiß, wenn wir sie verklagt hätten, wäre am Ende vielleicht mehr dabei herausgesprungen. Aber dann hätte es ewig gedauert, bis du das Geld wirklich bekommst. Und ich dachte mir, dass du es jetzt ganz gut gebrauchen kannst. Stell dir nur vor, jetzt musst du nicht wegen diesem blöden Stipendium in einer wildfremden Stadt in Idaho versauern, sondern kannst in aller Ruhe hier studieren. Die Gebühren kannst du damit locker bezahlen.“
Als sie nichts sagte, stieß er sie mit dem Ellenbogen an. „Na, komm schon, du kannst dich ruhig ein bisschen freuen. Hab ich das nicht clever gemacht? Aber ich gebe zu, ich hab’s ja auch für mich getan. Ich war ja von Anfang an dagegen, dass du so weit wegziehst. Ohne mich.“
Das stimmte. Seit Sina die Zusage für das Stipendium in Boise bekommen hatte, das sämtliche Studiengebühren abdeckte, lag er ihr ständig damit in den Ohren. Und als sie sich nicht hatte beeinflussen lassen – schließlich war dies wohl ihre einzige Chance auf eine gute Ausbildung –, hatte er die wildesten Pläne entwickelt, wie er sie trotzdem ständig sehen konnte.
Er arbeitete als Mechaniker in der Autowerkstatt seines
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