DER KUSS DES MAGIERS
Onkels, die er in ein paar Jahren übernehmen sollte, und konnte deshalb nicht umziehen. Aber Lugo hatte tatsächlich versucht, seinen Onkel zu überreden, in Boise eine Filiale aufzumachen, die er dann leiten wollte.
Obwohl es deswegen ständig Streit mit ihrer Mutter gab, fühlte sich Sina sehr geschmeichelt, weil Lugo die zeitweise Trennung von ihr so schwer nahm. Doch jetzt … Das Stipendium einfach so aufgeben? Sie konnte das Geld wirklich gut brauchen, das stimmte. Und genau deshalb würde sie es bestimmt nicht für Studiengebühren verwenden und das Stipendium ablehnen. Denn ihr war klar gewesen, dass sie neben dem Studium weiterhin irgendwo jobben müsste, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Mit dem unerwarteten Geldsegen könnte sie sich jetzt stattdessen mehr aufs Lernen konzentrieren.
Allerdings hatte Sina keine Lust, das jetzt mit Lugo auszudiskutieren. Sie wollte endlich nach Hause.
„Ich freu mich ja“, sagte sie deshalb diplomatisch. „Es war nur alles ein bisschen viel heute Abend. Lass uns morgen feiern, okay? Jetzt möchte ich nur noch ins Bett.“
Lugos Grinsen wurde ein bisschen breiter, und er legte seine Hand auf ihren Oberschenkel. „Aber gern doch, Baby. Zu dir oder zu mir?“
Sina schloss die Augen und atmete tief durch. Begriff er denn nicht, dass sie erschöpft war und einfach Ruhe brauchte? Sie riss sich doch schon zusammen, um nicht in Tränen auszubrechen.
Offenbar merkte Lugo jetzt doch etwas, denn er streichelte beruhigend ihren Oberschenkel. „Schon gut, war nur ein Spaß. Ich bring dich heim, du siehst ja wirklich ganz fertig aus. Oder möchtest du bei mir übernachten? Nur, falls du heute Nacht Albträume kriegst. Dann ist der große starke Lugo da und beschützt dich.“
Sina seufzte und versuchte zu lächeln. Das war ihr Lugo, den sie vor ihrer Mutter immer so vehement verteidigte. Klar, er konnte ein Angeber sein und trat manchmal zu großspurig auf. Ab und zu war er ein bisschen zu besitzergreifend, aber das alles tat er ja nur, weil er sie liebte und auf sie aufpassen wollte.
Außerdem hatte er sie davor bewahrt, LeNormand tatsächlich zu erschießen. Sie war kurz davor gewesen abzudrücken. Wenn Lugo nicht auf die Bühne gestürmt wäre …
Bei dem Gedanken wurde ihr ganz schlecht. Und ihr fiel ein, was davor auf der Waldlichtung passiert war …
„Das ist lieb von dir, aber ich brauch heute mein eigenes Bett“, erwiderte Sina gequält. „Und vielleicht nehme ich vorher noch ein heißes Bad …“
Lugo wohnte in einer umgebauten, loftartigen Halle neben der Werkstatt, die zwar riesig war, aber nur eine Dusche hatte.
„Klar“, sagte Lugo gleichmütig. „Versteh ich doch.“
Als sie durch die Stadt fuhren, starrte Sina durch die Windschutzscheibe und konnte nicht vergessen, was passiert war. Der seltsame Spiegel, die Waldlichtung … War sie wirklich durch das Glas getreten, oder hatte sie sich das alles nur eingebildet?
„Du, sag mal …“, wandte sie sich unvermittelt an Lugo, biss sich dann aber auf die Unterlippe. Wenn sie ihn danach fragte, was wirklich auf der Bühne geschehen war, würde er fragen, was sie erlebt hatte. Und das konnte sie ihm ja nun wirklich nicht erzählen.
Und Lügen war nicht gerade ihre Stärke.
„Ach, schon gut. Ich dachte gerade, meine Uhr wäre stehen geblieben, aber es ist ja anscheinend wirklich erst kurz nach zehn“, sagte Sina schnell und deutete aufs Armaturenbrett. „Es kommt mir vor, als wäre viel mehr Zeit vergangen.“
„Na, Hauptsache, deine Mom gibt nicht mir die Schuld dafür, dass der Abend nicht so toll war“, bemerkte Lugo trocken.
„Was? Nein, das wird sie nicht, denn ich werde ihr gar nichts davon erzählen. Und du auch nicht.“ Beschwörend sah sie ihn an. „Ich will nicht, dass sie sich aufregt oder sich sogar noch Vorwürfe macht, weil sie mir die Karte geschenkt hat. Versprich mir, dass du ihr nichts davon sagst!“
Lugo hob kurz die Hände vom Lenkrad. „Ich? Nein, ganz bestimmt nicht. Ich habe keine Lust, mir stundenlang anzuhören, was ich alles falsch gemacht habe.“
Wieder einmal merkte Sina, wie tief es ihn traf, dass ihre Mutter ihm so ablehnend gegenüberstand. „Ach, Lugo.“ Seufzend legte sie ihm die Hand aufs Knie.
„Hm. Aber wie willst du ihr dann das mit dem Geld erklären? Und dass du doch nicht in Idaho studierst?“, fragte er nach einer Weile.
Zum Glück bogen sie gerade in ihre Straße ein. Als er vor ihrem Haus hielt, legte Sina die Geldbündel ordentlich
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