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DER KUSS DES MAGIERS

DER KUSS DES MAGIERS

Titel: DER KUSS DES MAGIERS Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S. Landauer
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    Vorsichtig näherte sie sich der ersten Figur, die reglos im Sand stand. Erst als sie sie fast berühren konnte, merkte sie, dass es eine Steinsäule war. Bizarr vom Wind geformt, sah sie im Mondlicht aus wie ein Mensch. Sina blickte sich um und stellte fest, dass es sich auch bei den anderen Figuren um Steinformationen handelte. Einige reichten ihr nur bis zur Hüfte, andere überragten sie. Sie hatte so etwas schon einmal gesehen, in einem Film, der an der Highschool in Erdkunde gezeigt worden war. Etwas ruhiger ging Sina in die Hocke, tauchte den Zeigefinger in den Sand, leckte mit der Zungenspitze daran. Salz. Sie befand sich am Ufer eines Salzsees. Aber was tat sie hier? Und wo war er?
    Komm nicht näher, Beloved.
    Hörte sie seine Stimme wirklich oder wieder nur in ihrem Kopf?
    Es spielte keine Rolle. Allein der warme, vertraute Klang ließ sie innerlich jubeln. Sie war ihm nahe, würde ihn wiedersehen!
    Komm nicht näher.
    Was er sagte und sein warnender Unterton gingen völlig an ihr vorbei. Mit sicherem Instinkt suchte sie sich ihren Weg zwischen den Steinsäulen hindurch. Der kühle Wind trug einen seltsamen Geruch mit sich, herb, aber nicht unangenehm. Von weiter vor sich hörte sie Wasser schwer und träge ans Ufer schwappen.
    Und endlich sah sie ihn. Er saß auf dem Boden, den nackten Oberkörper gegen eine halbhohe Felsformation gelehnt. Sie schluckte unwillkürlich. Hugh Jackman, schoss es ihr durch den Kopf. Robert Downey Jr. in Ironman . Nur dass er jünger war. Nur ein paar Jahre älter als sie. Fast so wie damals, vor fünfzehn Jahren, auf der Insel im See. Wieso sah er immer noch aus wie damals? Egal. Er war einfach perfekt.
    Seine goldenen Augen leuchteten auf, als er sie sah, doch dann merkte sie, dass etwas nicht stimmte. Seine Miene wirkte angespannt und selbst im Mondlicht unnatürlich fahl. Eingesunken.
    Sie wollte zu ihm laufen, doch er hob langsam eine Hand, und sie blieb stehen.
    „Geh“, stieß er hervor, obwohl sein Gesichtsausdruck das Gegenteil ausdrückte. „Lass mich allein.“
    Bleib, Beloved. Ich brauche dich. Ohne dich kann ich nicht sterben.
    Sterben? Musste es nicht „leben“ heißen? Ja, sie hatte sich bestimmt verhört. Ohne dich kann ich nicht leben, hatte er sagen wollen. Ein bisschen theatralisch, aber sehr romantisch. Sina machte einen Schritt auf ihn zu.
    „Nein! Bleib! Es ist zu gefährlich. Es ist nicht … wie das letzte Mal. Ich habe nicht viel Kraft, nicht bei diesem Licht. Und er ist jetzt gewarnt. Komm nicht näher. Nicht, wenn du es nicht tun willst.“
    Verunsichert hielt sie wieder inne. Wovon redete er bloß? Wen meinte er mit „er“? Nervös schaute sie sich um. Waren sie nicht allein in dieser toten Landschaft? Ein Schauer rieselte ihr über den Rücken. In dem hellen Mondlicht warfen die Steinsäulen groteske Schatten. Ausgestreckte Hände, gekrümmte Finger, die nach ihr griffen, zahnbewehrte, aufgerissene Fänge. Hier gab es tausend Verstecke für tausend Schrecken.
    Irgendwo kullerte ein Stein herunter, und Sina schrie erschrocken auf.
    Eine Waffe. Du brauchst eine Waffe.
    Ja, da war sie ganz seiner Meinung. Mit etwas in der Hand, mit dem sie sich verteidigen konnte, würde sie sich gleich sicherer fühlen. Suchend blickte Sina sich um. Die toten Bäume lagen zu weit zurück, und bestimmt war ihr salzgetränktes Holz mürbe. Sie suchte den Boden ab. Ein großer, gut geformter Stein würde es auch tun.
    Doch sie fand noch etwas Besseres. Vor ihren Füßen ragte etwas aus dem Sand. Als sie daran zog, löste es sich ganz leicht, sprang ihr fast in die Hand. Ein Stab? Das dicke runde Ende fühlte sich kühl und glatt an, doch das andere Ende, etwa dreißig Zentimeter weiter, lief spitz und gezackt aus. Verwundert strich Sina mit der Fingerspitze darüber. Messerscharf. Ein Dolch. Es war ein Dolch aus … Glas. Der Erdkundefilm fiel ihr wieder ein. Wenn Blitze in Sand einschlugen, schmolz die ungeheure Hitze dabei den Quarzsand zum realen Abbild eines Blitzes in der Erde. Ein Stück von so einem Glasblitz hielt sie jetzt in der Hand, und er schien stabil und scharf genug zu sein, um im Notfall als Waffe zu dienen.
    „Gut so. Jetzt kannst du näher kommen. Langsam. Bist du bereit?“
    Seine Worte riefen ein unangenehmes Echo in ihr hervor. Das hatte er schon mal zu ihr gesagt.
    „Nein! Warte, ich …“
    Ein Ausdruck des Bedauerns huschte über seine Miene.
    „Wir haben keine Zeit mehr. Ich kann ihn nicht mehr lange beherrschen. Du musst

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