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DER KUSS DES MAGIERS

DER KUSS DES MAGIERS

Titel: DER KUSS DES MAGIERS Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S. Landauer
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glaubte, noch immer LeNormands warme Hände auf ihrer Haut spüren. Sofort stieg wieder der Wunsch in ihr auf, dass sie mehr Zeit gehabt hätten.
    Das Video zeigte jetzt den Teil mit dem Spiegel. Genau wie Sina es auf der Bühne wahrgenommen hatte, wechselte das Outfit ihres Spiegelbilds mit jedem Drehen des Spiegels. Dann wurde die Glasfläche glitzernd, und Sina steckte die Hand hindurch. Auf dem Bildschirm wirkte die Nummer fast noch spektakulärer. Als sie auf der Bühne gestanden hatte, war sie so aufgeregt und von LeNormands Nähe so fasziniert gewesen, dass ihr das Unglaubliche, was sie da getan hatte, gar nicht richtig bewusst geworden war. Sie hatte den Spiegel selbst berührt, das kühle Glas gespürt – und im nächsten Moment war da nur Luft gewesen.
    Von einer Waldlichtung war im Spiegel allerdings nichts zu sehen. Wie bei den anderen Videos schimmerte das Glas nur silbern. Unwillkürlich stiegen Sina Tränen in die Augen. Er machte das wohl mit jeder seiner Assistentinnen – schickte sie durch den Spiegel und gaukelte ihnen eine romantische Szene auf einer Waldlichtung vor. Wie naiv sie gewesen war!
    Doch im nächsten Moment sah sie, wie LeNormand ihre Hand genommen und mit ihr durch die schimmernde Glasfläche getreten war. Sina hielt den Atem an. Das war anders als sonst. Einen Augenblick lang war die Bühne – bis auf den geheimnisvollen Spiegel, der jetzt wieder massiv wirkte, – leer.
    Ein schwarz gekleideter Assistent mit einer knallroten Schirmmütze betrat die Bühne, ohne sich dem Publikum vorzustellen. Er schob einen Tisch auf Rollen oder Gleitern vor sich her, stellte ihn ab und stieß den Spiegel leicht an. Fast schwerelos schwebte der Spiegel nun über die Bühne und verschwand auf der anderen Seite in den Kulissen.
    Als die Zuschauer unruhig wurden, drehte der Assistent sich wie überrascht um und nahm die Schirmmütze ab. Das lange Haar fiel ihm über die Schultern. Es war LeNormand, und das Publikum tobte.
    Er blieb über den Tisch gebeugt stehen, und ein paar Sekunden später erschien Sina wieder auf der Bühne. „Erscheinen“ war durchaus das richtige Wort – im einen Moment war nur der schwarze Bühnenhintergrund zu sehen, im nächsten stand Sina dort, wie aus der Luft manifestiert.
    Das Publikum begann zu jubeln, und LeNormand drehte sich lächelnd zu ihr um. Oh, dieses Lächeln … Selbst im Video war es so verführerisch, so umwerfend, dass Sina schon wieder Herzklopfen bekam.
    Es musste für jeden im Publikum offensichtlich gewesen sein, wie verliebt sie LeNormand angestarrt hatte. Man erkannte sogar deutlich, in welchem Moment ihr eingefallen war, dass sie auf einer Bühne stand, und sie sich bemüht hatte, ihren Gesichtsausdruck zu beherrschen. Na ja, mit etwas Glück hatte Lugo es für Verwirrung gehalten – schließlich wurde man nicht jeden Tag durch einen massiven Spiegel von der Bühne geführt und tauchte dann ein paar Sekunden später ganz von allein wieder auf.
    Aber war es wirklich so kurz gewesen? Sina spulte zurück und beobachtete die Zeitangabe. Exakt zwanzig Sekunden in einer ungeschnittenen Aufnahme. Wie war das möglich? Sie hatten sich doch viel länger auf der Waldlichtung aufgehalten.
    Ihr fiel ein, dass LeNormand etwas darüber gesagt hatte – die Zeit liefe hier langsamer oder so … Aber wo war hier ?
    Auf der Bühne hatten sie definitiv nicht gestanden, auch nicht hinter einem Vorhang verborgen, hinter einer doppelten Wand oder was immer für solche Tricks sonst verwendet wurde. Eine richtige Waldlichtung konnte es allerdings wohl auch nicht gewesen sein … Wie sollte so etwas möglich sein?
    Unwillkürlich strich Sina sich mit dem Fußrücken über ihre Wade. Sie erinnerte sich genau daran, dass sie das Moos gespürt hatte … Es war ein wenig feucht gewesen und erdig, samtig weich und angenehm kühl.
    Sie schluckte. Langsam, ganz langsam zog sie ihr Bein an und legte den nackten Fuß auf den Oberschenkel, beugte sich etwas zur Seite, um besser sehen zu können. Und dann überlief sie ein eisiger Schauer.
    Ihre Fußsohle war eindeutig leicht grün und hatte ein paar Erdflecken.

5. KAPITEL
    Minutenlang blieb Sina einfach so sitzen, unfähig, sich zu rühren. Erst als ihr Bein anfing einzuschlafen, stellte sie den Fuß wieder auf den Boden. Das Video war mittlerweile zu Ende – dass sie LeNormand beinah erschossen hatte, wusste sie ja auch schon, das musste sie sich nicht noch einmal anschauen.
    „Was hast du mit mir gemacht?“, murmelte sie.

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