DER KUSS DES MAGIERS
war überwältigt von der Zärtlichkeit, der Sehnsucht, mit der er sie ansah.
„Ja, Beloved?“
„Dieses Ding, dieses Monster … Es ist tatsächlich in dir, oder? Es ermöglicht dir, all die Dinge zu tun, die du tun kannst. Aber du willst es loswerden. Deshalb hast du mich gebeten, es zu töten.“
8. KAPITEL
Les seufzte und ließ den Kopf sinken. Gleichzeitig drückte er Sina fester an sich.
„Das ist in etwa richtig, ja“, sagte er schließlich.
„Aber da ist noch mehr?“
„Ja, da ist noch mehr.“
„Mein Vater?“
Les lachte kurz auf, es klang wie ein trockenes Schluchzen. „Ja, dein Vater kommt auch darin vor.“
Sinas Vater befindet sich zurzeit nicht im Bild.
Sina hatte das Gefühl, ihr bliebe die Luft weg. „Meine Mom …“, brachte sie mühsam hervor.
„… hat nichts damit zu tun.“
Unwillkürlich atmete Sina auf. Sie hatten nie viel über ihren Vater gesprochen. Natürlich, gleich nachdem er weg war, hatte sie ständig nach ihm gefragt, und von ihrer Mom tröstende bis ausweichende Antworten bekommen. Irgendwann, als sie älter geworden war, hatte Sina sich dann – nach den hämischen oder verletzenden Bemerkungen mancher Kinder in der Schule – alles selbst zusammengereimt. Sie hatte aufgehört, nach ihrem Vater zu fragen, und angefangen, ihn zu verachten. Ihre Mutter hatte das Thema nie von sich aus angeschnitten, und das war immer okay gewesen. Aber wenn es etwas gab, was sie Sina hätte erzählen können … Wenn sie ihr bewusst etwas verschwiegen hatte …
„Er hat versucht, sie so gut wie möglich herauszuhalten, aber ich weiß nicht, wie viel sie geahnt hat.“
Sina nickte langsam. „Wenn ich alles weiß, werde ich die Welt noch so sehen wie jetzt?“, fragte sie schließlich.
Mit der Antwort ließ er sich Zeit. „Das ist schwer zu sagen. Es gibt Menschen, die davon erfahren, die Schultern zucken und sich sagen, die Welt war immer schon seltsam, und das ist nur eine Kuriosität mehr. Ich denke, zu denen gehörst du nicht.“
Sie musste lächeln. Mit zehn hatte sie schlagartig aufgehört, Gummibärchen zu essen, nachdem sie erfahren hatte, woraus sie hauptsächlich gemacht wurden. „Nein, wahrscheinlich nicht.“
Les schwieg.
Das ist die letzte Chance, dachte Sina. Wenn ich jetzt weiterfrage, kann ich nie mehr zurück.
„Erzähl mir alles. Von Anfang an“, bat sie ihn. „Aber nicht hier“, fügte sie hinzu, bevor er etwas einwenden konnte. „Können wir irgendwohin gehen, wo wir allein sind?“
„Woran dachtest du denn?“
„Na, wenn du so fragst … Ein schneeweißer Strand auf einer einsamen Insel, azurblaues Meer, Palmen …“ Sina schloss die Augen und stellte sich genau vor, wo sie jetzt am liebsten mit Les allein sein wollte.
„So in etwa?“, fragte er.
Sie hörte, dass er lächelte, und öffnete die Augen. Sie standen tatsächlich an einem kilometerlangen, schneeweißen, menschenleeren Strand vor einer traumhaften Lagune. Auch die Palmen fehlten nicht.
„Ist das jetzt echt? Ein wirklicher Ort? Oder nur eine Illusion?“, fragte Sina leicht misstrauisch. Doch noch während sie redete, streifte sie sich die Sandalen ab und schob die Zehen in den angenehm warmen Sand.
Les stellte ihre Tasche ab. „Ein echter Ort. So wie die Lichtung und der Salzsee. Man könnte auch mit dem Auto hinkommen. Na ja, hierher nicht gerade, du wolltest ja eine Insel.“
„Aber wie geht das?“
Les küsste sie auf die Stirn, nahm ihre Hand und lud Sina ein, mit ihr den Strand entlangzuschlendern. „Das Wesen, das ich in mir habe, ermöglicht es mir, Abkürzungen durch andere Dimensionen zu nehmen.“
„So etwas wie ein Wurmloch?“ Hin und wieder schaute sich Sina auch Science-Fiction-Filme im Fernsehen an.
„So ähnlich, nur dass wir keins brauchen. Wir konzentrieren uns einfach auf den Ort und ‚finden‘ ihn in einer anderen Dimension, sodass der Weg viel kürzer ist.“
„Und deshalb läuft auch die Zeit anders?“ Sina erinnerte sich daran, dass sie viel mehr Zeit auf der Lichtung verbracht hatten, als sie von der Bühne verschwunden gewesen waren.
„Je nachdem, was man gerade vorhat“, antwortete Les lächelnd. „Du musst dir das vorstellen wie …“
„Nein, warte, reicht schon“, unterbrach Sina ihn. „Lass uns am Anfang anfangen.“
Les’ Miene verfinsterte sich. „Ich bin immer noch nicht sicher, ob das gut ist.“
„Na, hör mal, ich weiß jetzt, dass irgendetwas in dir lebt, das magische Kräfte hat, und bin noch nicht in
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