DER KUSS DES MAGIERS
nur den Kopf. „Dafür ist es zu spät, Beloved. Du brauchst dir keine Sorgen um mich zu machen. Suss übertreibt gern. Ich werde ihm sagen, dass er dich nach Hause bringen soll. Kehr in dein Leben zurück und vergiss mich.“
„Dafür ist es zu spät“, entgegnete sie und wiederholte damit seine Worte. Und noch während sie sie aussprach, wurde Sina klar, dass es stimmte. Sie könnte Les niemals vergessen. Tagsüber würde sie sich danach sehnen, ihm nahe zu sein, und jede Nacht würde sie von ihm träumen, verfolgt von dem Gedanken, dass sie ihn im Stich gelassen hatte.
Als er schwieg, nahm sie seine linke Hand und drehte die Handfläche nach oben. Es war keine Wunde oder Narbe zu sehen, nichts, was darauf hindeutete, dass er sich am vergangenen Abend verletzt hatte.
„Hat es sehr wehgetan?“, fragte sie ruhig. Er wollte ihr die Hand entziehen, doch Sina ließ ihn nicht los.
„Es war ein Trick, weiter nichts“, antwortete er ausweichend.
„Ja, zweifellos. Toller Trick übrigens. Mir tut die Hand heute noch weh, und ich weiß auch nicht so recht, wie das Blut auf meine Handfläche gekommen ist. Jedenfalls sehr beeindruckend.“
Les wurde blass. „Das … das wusste ich nicht. Es wird nicht wieder vorkommen. Es tut mir leid, dass du … dass du …“
„Dass ich deine Schmerzen spüre? Ach, das ist halb so wild. Du musst dir ja nicht bei jeder Vorstellung die Hand aufspießen. Du kannst dich ja in Zukunft etwas besser konzentrieren.“
Sina spürte, dass ihr der leicht sarkastische Ton half, die Nerven zu behalten. Les hatte nicht „Du spinnst doch“ oder „Man kann sich auch alles einbilden“ gesagt. Er nahm ihre Aussage hin, als wäre es völlig normal, dass sie seine Schmerzen spürte, wenn auch nicht beabsichtigt. Und er entschuldigte sich dafür, als wäre er ihr auf den Fuß getreten.
„Aber weißt du, was mich wirklich fertig macht?“, fuhr sie fort, als er nichts sagte. „Was mich wirklich nervt, ist, dass ich, wenn es nach euch geht, dazu verurteilt bin, das alles einfach hinzunehmen, ohne zu wissen, was hier eigentlich los ist. Irgendetwas, ach was, einfach alles, ist nicht so, wie es sein sollte. Man kann nicht durch Spiegel gehen und auf einer Waldlichtung landen. Oder an einem Salzsee. Man kann sich keinen Dolch durch die Hand rammen und dabei zusehen, wie die Wunde verschwindet. Man kann nicht Dinge unter seiner Haut haben, die sich bewegen …“
Bei der Erinnerung an den furchtbaren Traum und den kurzen realen Moment am Salzsee geriet Sina ins Stocken. Mit zitternder Stimme fuhr sie fort: „Ich kann nicht Sehnsucht nach jemandem haben, den ich nicht einmal kenne.“
„Wer bist du?“, flüsterte sie und fügte fast lautlos hinzu: „Was bist du?“
Les legte eine Hand unter ihr Kinn und zwang sie, ihn anzusehen. „Was denkst du, wer ich bin?“
„Du bist der Junge, der bei uns den Rasen gemäht hat, als ich klein war“, sagte sie ohne Zögern. Diese Erinnerungen waren zumindest ein Schritt zur Normalität. „Du hast kranke Vögel gesund gepflegt und Ringelnattern gerettet. Du hast stundenlang mit mir geredet, und ich habe dich angehimmelt. Ich hatte es vergessen, aber jetzt weiß ich es wieder.“
Nachdenklicher fuhr sie fort: „Du bist der Junge, der bei mir gewesen ist, als ich auf der Insel im See auf meinen Vater gewartet habe. Ich hatte Angst und wollte auf die Lichtung laufen, aber du hast mich aufgehalten und beim Boot mit mir gewartet, bis Daddy zurückgekommen ist.“
Sie schluckte. „Und jetzt bist du ein Magier, der entweder die unglaublichsten Tricks kennt oder der diese Dinge wirklich tun kann. Aber da ist mehr. Suss weiß, wie mein Vater mich genannt hat. Wie kann er das wissen? Und ich habe diese Träume von dir, seit langem schon. Diese Träume, in denen ich etwas tun soll, aber nicht weiß, was! Du wolltest vorgestern, dass ich dich auf offener Bühne erschieße – also ist es wahrscheinlich das, was ich im Traum tun soll, aber warum? Wieso ich? Was hat das alles mit mir zu tun? Was hast du mit mir zu tun? Versteh doch, das kannst du nicht rückgängig machen! Ich kann das nicht einfach wieder vergessen.“
Als sie es so zusammenfasste, wurde ihr die Ungeheuerlichkeit der Vorkommnisse mit einem Schlag klar. Und einen Moment lang hatte Sina das irrwitzige Gefühl, zu fantasieren und vielleicht gleich in einem Klinikbett zu sich zu kommen, wo die Schwester ihr sagte, dass es Zeit für die nächste Medikamentendosis sei.
Les legte beide Hände
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