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Der Kuss des Morgenlichts

Der Kuss des Morgenlichts

Titel: Der Kuss des Morgenlichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leah Cohn
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»Das ist eine lange Geschichte, aber ich habe keine Zeit, sie zu erzählen. Ich muss Aurora suchen, und … «
    Nele hielt mich am Oberarm fest. »Ich habe dich heute wieder und wieder angerufen, aber hab immer nur deine Mailbox gekriegt, und deine Festnetznummer war immerzu besetzt. Ich habe mir solche Sorgen gemacht, dass ich so schnell wie möglich hierhergekommen bin. Sophie! Jetzt rede endlich mit mir! Was ist passiert? Hat es … hat es mit den Toten zu tun?«
    Ich zuckte zusammen; ich glaubte, Schritte zu hören, die näher kamen, Schritte und raunende Stimmen …
    »Psst!«, machte ich und lauschte angestrengt.
    Hatte ich mich verhört? War es doch nur das Rauschen des Windes?
    Meine Gedanken rasten in meinem Kopf. Nele verstecken … Aurora suchen … vielleicht doch mit dem Auto fahren … Caspar hatte mich allerdings beim letzten Mal vor dem Auto abgefangen …
    »Nele, wirklich! Ich kann dir alles erklären, aber später. Du musst dich verstecken! Nein, eigentlich musst du sofort weg von hier!«
    »Aber warum denn verstecken? Vor wem?«
    »Du bist mit dem Auto hier? Ja? Wo hast du geparkt?«
    »Aber … «
    »Lauf so schnell wie möglich dorthin und fahr weg. Ich melde mich später.«
    Ich packte sie energisch am Arm, drängte sie zur Haustür.
    »Das geht nicht«, wehrte sie sich. »Ich muss doch hierbleiben.«
    Vorhin war es nur eine Ahnung gewesen, jetzt hörte ich die Schritte und das Gemurmel eindeutig. Es kam näher, immer näher. Die Schritte hielten vor der Haustür; die Stimmen erinnerten nicht an das Zischen von Caspars Helfern.
    Die Haustür war immer noch nur angelehnt. Erst klopfte jemand dagegen, dann, als niemand antwortete, schob sich ein Fuß in den Spalt.
    »Frau Schwarz«, rief eine Männerstimme. »Frau Richter?«
    »Ich bin Nele Schwarz!«, schrie Nele und stürzte auf den Mann zu. Es war ein Polizeibeamter, der mir irgendwie bekannt vorkam. Zumindest war sein Gesichtsausdruck ähnlich missmutig wie das des Polizisten, bei dem ich mich über Caspars Zudringlichkeiten beschwert hatte.
    Fragend ging mein Blick von Nele zu dem Beamten und wieder zu ihr zurück.
    »Ich habe die Polizei informiert«, erklärte sie hastig, und noch ehe ich etwas sagen konnte, rief sie: »Was hätte ich denn tun sollen? Ich kam hierher … das Haus war leer … die Autotür stand offen … Ich habe immer wieder nach dir und Aurora gerufen, und dann … dieses Chaos!«
    Der Beamte trat näher. Als er die Spuren der Zerstörung erblickte, wandelte sich sein Gesichtsausdruck. Die schlechte Laune schien nun tiefem Misstrauen zu weichen.
    »Was ist denn hier … «, setzte er an.
    Ich achtete nicht länger auf seine Worte. »Ach, Nele«, seufzte ich, »versteh doch! Du musst so schnell wie möglich fort von hier! Und ich auch!«
    Der Beamte schüttelte den Kopf, stellte sich breitbeinig vor mich und hob die Arme: »Inspektor Roland Wenzel«, stellte er sich knapp vor und fügte streng hinzu: »Hier geht fürs Erste niemand irgendwohin!«

    Innerhalb weniger Minuten stürmte fast ein Dutzend Polizeibeamte die Villa. In vier Autos waren sie vorgefahren, hatten die Türen zugeknallt, als sie ausgestiegen waren. Was immer Nele ihnen erzählt hatte, hatte sie höchst alarmiert.
    Noch vor zwei Tagen hätte ich mich in ihrer Gegenwart vollkommen sicher gefühlt – nun aber wusste ich: all die Männer mit ihren Dienstwaffen konnten keinen ausreichenden Schutz bieten. Caspar und seine Gehilfen konnten die Villa in nur wenigen Minuten in ein Schlachtfeld verwandeln und sie alle töten. Das musste ich unbedingt verhindern!
    Ich unterdrückte die Regung, fortzulaufen und nach Aurora zu suchen, und hielt dem strengen Blick des Beamten stand.
    »Es ist nichts passiert«, wiegelte ich rasch ab, während sich seine Kollegen an uns vorbeidrängten. »Meine Freundin war etwas übervorsichtig und hat Sie informiert, weil sie sich Sorgen gemacht hat. Sie dachte, mir wäre etwas zugestoßen, weil sie mich nicht erreichen konnte. Aber jetzt bin ich hier, und es geht mir gut. Wirklich! Sie … Sie können wieder gehen.«
    Inspektor Roland Wenzel starrte mich misstrauisch an und rührte sich auch dann nicht vom Fleck, als seine Kollegen sich an ihm vorbeidrängten. Erst als lautes Stimmengewirr aus dem Wohnzimmer drang, folgte er ihnen, um nachzusehen, was sie so erregte.
    »Bitte … «, setzte ich hilflos an und lief ihm nach. »Es ist wirklich nichts passiert.«
    Als ich das Wohnzimmer betrat, deutete einer der Beamten soeben

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