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Der Kuss des Morgenlichts

Der Kuss des Morgenlichts

Titel: Der Kuss des Morgenlichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leah Cohn
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dem Rückweg kaufte ich eine Sachertorte im Café Demel am Mozartplatz, die Aurora früher immer gern gegessen hatte. Was ich nicht bedacht hatte, war, dass die Glasur während der Autofahrt schmelzen würde, als ich die Villa betrat.
    »Aurora? Cara?«
    Ich stellte die Torte in der Küche ab und wusch mir gründlich die Hände, ehe ich nach Aurora und Cara sah. Ich fand Aurora allein in ihrem Zimmer vor, aus dem Wohnzimmer drang Gemurmel.
    »Sie telefoniert«, sagte Aurora, ehe ich fragen konnte.
    »Aha.«
    Ich verließ ihr Zimmer und wollte zurück zur Küche gehen, um die Schokoladenglasur zu retten, doch als ich am Wohnzimmer vorbeikam, ließ mich ein Satz von Cara innehalten.
    »Nein«, glaubte ich zu hören, »nein, sie hat keine Ahnung.«
    Ich schlich zur Tür. Sie war einen Spalt breit geöffnet, und ich spähte hindurch. Cara saß im Schneidersitz auf dem Sofa. Sie hatte mir den Rücken zugewandt und bemerkte mich nicht.
    »Ich finde das nicht richtig«, sagte sie nach einer Weile. »Man sollte sie unbedingt einweihen.«
    Instinktiv hielt ich den Atem an, um kein Geräusch von mir zu geben.
    »Natürlich ist es schwierig, aber … «
    Sie hielt inne, offenbar war ihr der Gesprächspartner ins Wort gefallen.
    »Ich weiß, du willst es nicht wahrhaben, aber glaub mir doch endlich! Wir können es nicht verhindern«, sagte sie nach einer Weile. Und dann, offenbar nach einer Frage: »Ja, es geht ihr gut … die Zeichen sind seltener geworden. Aber das ist nur deshalb, weil ich bei ihr bin und es lenken kann. Du weißt so gut wie ich … «
    Ich bemühte mich immer noch darum, kein Geräusch zu machen, aber plötzlich drehte sich Cara um und erblickte mich. Sie schien sich keineswegs ertappt zu fühlen, sondern sah mich freundlich und offen an.
    »Ich muss Schluss machen«, sagte sie knapp und legte den Hörer auf.
    »Sophie«, stellte sie ruhig fest, »du bist also zurück. Ich habe dein Auto gar nicht kommen gehört.«
    Wir waren erst vor wenigen Tagen zum Du übergegangen.
    »Gibt es Probleme?«
    Sie erhob sich langsam. »Nein«, sagte sie kurz.
    »Es tut mir leid, dass ich gelauscht habe, aber wovon hast du gesprochen?«
    »Das ist nicht so wichtig.« Sie wollte an mir vorbeigehen, doch ich packte sie am Arm – viel energischer, als ich es eigentlich beabsichtigt hatte. Rasch ließ ich sie wieder los.
    »Wer … wer sollte nicht eingeweiht werden?«, fragte ich.
    Sanfte Röte überzog ihre hellen Wangen. Jetzt erst fiel mir auf, dass Aurora in den letzten Wochen richtig braun geworden war, Cara aber, die mindestens ebenso viel Zeit wie sie in der Sonne verbracht hatte, nicht.
    »Ich habe mit einem Bekannten telefoniert. Seine Mutter hat Alzheimer – und bisher hat es ihr noch keiner gesagt.«
    Die Röte schwand aus ihrem Gesicht. Ihr Lächeln wurde ausdruckslos, und ich war mir sicher, dass sie log. In den letzten Wochen hatte ich ständig auf Auroras Gefühlszustand geachtet, und das hatte mich extrem sensibel für die kleinsten Schwankungen in Stimmlage und Mimik gemacht.
    »Ich schaue jetzt nach Aurora«, erklärte sie.
    »Ja«, sagte ich verwirrt.
    An diesem Abend blieb Cara nicht zum Essen. Ich machte für Aurora und mich Käsebrote – danach gab es ein Stück Torte oder das, was ich davon hatte retten können. Aurora aß zwar willig, aber gab nur einsilbige Antworten, wenn ich fragte, was sie mit Cara unternommen hatte.
    Nachdem ich sie ins Bett gebracht hatte, ging ich unruhig im Wohnzimmer auf und ab. Caras Worte gingen mir nicht aus dem Kopf.
    Sie hat keine Ahnung.
    Man sollte sie einweihen.
    Die Zeichen sind seltener geworden, weil ich bei ihr bin.
    Ich betrachtete eingehend das Telefon. Leider hatte es kein Display, in dem die Nummern der letzten Anrufe gespeichert waren. Schließlich nahm ich den Hörer und rief Nele auf ihrem Handy an. Es läutete sieben Mal, ehe sie abnahm. Ich konnte ihre Stimme kaum hören, denn sie ging fast ganz in starkem Rauschen unter.
    »Sophie?«, schrie sie. »Bist du das?«
    »Du bist noch auf Rhodos, oder?«
    »Gerade am Flughafen … heute Rückflug … muss mein Handy ausmachen.«
    Ich verstand nur jedes zweite Worte. »Ich muss dich unbedingt etwas fragen«, rief ich in den Hörer. »Es ist wichtig!«
    »Sophie, kann das nicht … «
    »Ich wollte doch nur wissen, wie gut du diese Cara kennst.«
    »Welche Cara?«
    Das Rauschen ließ nach, stattdessen hörte man im Hintergrund lautes Stimmengewirr. Mehrmals knackte es in der Leitung.
    »Nun, Auroras

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