Der Kuss des Zeitreisenden (German Edition)
den Kopf auf die Pfoten gelegt und die Augen geschlossen. Entweder war der Hund an Drachen gewöhnt, oder aber die Tiere kommunizierten auf einer anderen Ebene miteinander.
»Sollen wir drachenwandeln und nach einer telepathischen Verbindung suchen?«, fragte Vivianne.
»Ich möchte unseren Trumpf lieber nicht schon jetzt ausspielen«, meinte Jordan. Außerdem kostete das Gestaltwandeln außerordentlich viel Energie, die sie ja aus dem Stab ziehen mussten.
Als der Donner über das Land rollte, Blitze den Himmel durchzuckten und die ersten Regentropfen fielen, verwandelte sich der goldene Drache in einen Mann. Er war blond und schwarzäugig, und seine gebräunte Haut spannte sich fest über die schwellenden Muskeln. Nur einen Augenblick lang stand er nackt da, dann erschuf seine Nanokleidung einen Lendenschurz, der ihm bis zu den mächtigen Schenkeln reichte. Er trug keine Waffen, und so breitschultrig, wie er dastand, schien er sich vor gar nichts auf der Welt zu fürchten.
Er betrachtete sie mit seinen dunklen Augen und blähte die Nüstern. Seine hohen Wangenknochen wirkten durch die vollen Lippen sanfter. »Ich bin der letzte Abkömmling des Hauses Tarpon. Ihr könnt mich Devid nennen.«
»Dann darfst du mich Jordan nennen.«
Vivianne trat zwischen sie – in die testosterongeschwängerte Luft hinein. »Ich bin Vivianne, und das ist Gray. Wir sind Besucher auf dieser Welt.«
»Es hat lange gedauert, bis ihr endlich gekommen seid.« Devid bedeutete ihnen, ihm zu folgen. Er drehte sich um und schritt tiefer in den Wald hinein. »Wir sollten aus dem Regen gehen.«
Vivianne zögerte nicht. Jordan ließ den Griff seines Stabes los und folgte langsamer. Erst einmal überließ er Vivianne das Handeln, während er Ausschau nach Anzeichen für Verrat hielt.
Devid schlenderte durch den Wald, und als sich der Sturm weiter näherte, wurde der Regen allmählich zum Sturzbach. Das Blätterdach des Waldes verhinderte, dass sie bis auf die Haut durchnässt wurden, und bald hatten sie eine Höhle erreicht. Sie befand sich in einem Felshang und schützte vor Wind und Wetter, doch gab es keineswegs ein anheimelndes Feuer, auch nichts zu essen und keinerlei Gegenstände. Nichts deutete darauf hin, dass Mensch oder Tier diesen Ort je betreten hatten.
»Setzt euch bitte.« Devid drehte sich um und runzelte die Stirn, als hätte er erst jetzt bemerkt, dass es dieser Höhle an jeglicher Bequemlichkeit mangelte.
Plötzlich erschienen Sessel und ein gleißendes Feuer. Holzscheite knisterten – und Jordan spürte die Hitze aus einer Entfernung von etwa drei Fuß.
Gray keuchte auf. Vivianne machte eine gelassene Miene und setzte sich. Ihre Finger aber schlossen sich fest um die Armlehne des Sessels, als wollte sie sich vergewissern, dass er wirklich da war. »Ich habe schon von Maschinen gehört, die Dinge materialisieren können, aber ich habe noch niemals eine bei der Arbeit gesehen. Kann man sie kaufen oder tauschen?«
»Ich fürchte, nein.« Devid verschränkte die Arme vor der Brust, setzte sich aber nicht.
Jordan blieb ebenfalls stehen.
»Du hast uns also erwartet …« Vivianne verstummte.
»Ja.«
»Was willst du?«, fragte sie einfach.
Jordan bemerkte, dass sie die Bitte um Nahrung noch nicht gestellt hatte. Offenbar stellte sie Devid auf die Probe, ohne zuvor ihre eigene Schwäche zu offenbaren.
»Ich will nichts von euch.«
Devids Antwort mochte Vivianne ja überrascht haben, aber sie zeigte es nicht. Stattdessen streckte sie die Hände dem Feuer entgegen. »Es ist gut, aus dem Regen herausgekommen zu sein.«
Sie ließ es zu, dass sich Schweigen ausbreitete, während das Holz knisterte und knackte, und Jordan vermutete, Devid warte nun auf Worte oder Taten.
Jordan war der Meinung, dass es allmählich an der Zeit war, einen weiteren Zug zu tun. »Während unseres Gangs durch das Dorf haben wir die Wetterfahnen auf den Strohdächern gesehen. Jede Fahne hat ein Rechteck am einen Ende und einen Kreis am anderen. Ich suche nach einem gleichartigen Gegenstand …«
»Na endlich!« Devid lächelte. »Ihr sucht nach dem zweiten Schlüssel zum Ehrwürdigen Stab?«
»Ja.«
Vivianne sah Jordan an, und die Fragen in ihrem Blick waren nicht schwer zu lesen. Woher wusste Devid denn, was sie suchten? Und aus welchem Grund hatte er Kenntnis von dem Ehrwürdigen Stab?
Devid spuckte die Worte aus, als sei er in großer Eile. »Als Trendonis deinen Ehrwürdigen Stab gestohlen hat, hat er erfahren, dass er unzerstörbar
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