Der lächelnde Mörder - Gyllander, V: Der lächelnde Mörder - Somliga linor brister
oberen Bildrand, auf der Umrandung des Brunnens. Sie streckte die Arme aus und balancierte über die Mauer. Dann verschwand sie einen Augenblick hinter dem Glaspfeiler, tauchte aber auf der anderen Seite wieder auf.
Die Stille im Raum war drückend.
Plötzlich sah die Frau zu den Zuschauern hinüber und schien etwas zu rufen. Sie lächelte über das ganze Gesicht, als sie überraschend mit gewaltsamer Kraft nach vorne geworfen wurde.
Sie fiel seitlich ins Wasser und verschwand aus dem Bild.
Alle begannen, durcheinanderzureden.
»Drück auf Stopp, spul etwas zurück, und vergrößere dann ihr Gesicht in dem Augenblick, bevor sie fällt«, sagte Holtz.
Knut Sahlén hieb so fest auf die Tastatur, dass das Geklapper deutlich zu hören war.
Erneut tauchte das Bild von Jenny Svenssons lächelndem Gesicht auf, dieses Mal größer.
Der Film lief wieder an.
Das unscharfe Gesicht blickte direkt in die Kamera. Plötzlich verschwand der obere Teil des Kopfes in einem Schwall aus Blut.
»Wenn ihr euch den Film weiter anschaut, dann versteht ihr, warum Tobias, den ihr unten eingesperrt habt, nicht der Täter gewesen sein kann. Ihr werdet auch verstehen, warum Jennys Blut an seinen Kleidern klebt«, sagte Holtz, packte seine Unterlagen zusammen und verließ die Ermittler.
Holtz öffnete den Ordner mit den Audiodateien und klickte auf das Verhör mit Jenny Svenssons Mutter. Sein Büro im sechsten Stock war wie immer sehr aufgeräumt. Holtz nahm in dem Borgholm-Sessel Platz, den er selbst gekauft hatte. Dort konnte er am besten nachdenken. Im Zimmer duftete es leicht nach Hagebutte. Holtz fischte den Teebeutel aus dem heißen Wasser und drückte ihn vorsichtig zwischen Daumen und Zeigefinger aus. Es war so heiß, dass seine empfindlichen Finger es kaum aushielten. Den ausgedrückten Teebeutel legte er in die gelbe Porzellanschale auf dem Tisch.
Er klickte auf Play.
Man hätte sich bei Mutmaßungen über die Beschäftigung des Mannes mit den Kopfhörern leicht vertun können. Obwohl es den Anschein hatte, als entspannte er sich und hörte Musik, war Holtz hochkonzentriert.
Das Verhör war recht kurz. Nach einer Stunde hatte er es zweimal angehört und sich ein paar Notizen auf einen Block gemacht.
Wer war sie?, dachte er.
Eine junge Frau, die gerade an der Fachhochschule für Sozialarbeit ihr Examen abgelegt hatte. Gute Noten, allgemein beliebt. Sie interessierte sich für Jugendliche, die auf die schiefe Bahn geraten waren, war aber selbst in geborgenem und harmonischem Umfeld aufgewachsen, zumindest bis zur Scheidung der Eltern. Die Ehe war vor allem daran zu Grunde gegangen, dass die Eltern selten zusammen gewesen waren. Ihr Vater verbrachte als Schiffskonstrukteur Monate im Ausland. Im Augenblick befand er sich in Miami, um den Bau eines Luxuskreuzfahrtschiffes zu überwachen und die Besatzung anzuheuern. Jenny hatte ihren Vater in ihrer Kindheit und Jugend kaum gesehen, und auch die Scheidung hatte ihr laut ihrer Mutter nicht sonderlich viel ausgemacht.
Sie war ein Einzelkind, und ihre Erziehung hatte unter dem Motte »Freiheit mit Verantwortung« gestanden.
Jetzt war sie tot.
Ihre Mutter konnte das nicht verstehen. Sie war doch so lebendig gewesen, hatte mitten im Leben gestanden.
Es war deutlich zu hören, dass ihre Mutter nicht begriffen hatte, dass ihre Tochter ermordet worden war. Das Verhör hatte wenige Stunden, nachdem Jenny tot im Bassin aufgefunden worden war, stattgefunden. Der Polizist hatte sich vage ausgedrückt und angedeutet, dass es sich vielleicht um einen Unfall gehandelt habe.
Jenny Svensson hatte auf dem Gymnasium den künstlerischen Zweig besucht. Sie war in dieser Hinsicht begabt gewesen, aber nicht in ausreichendem Maße, um davon leben zu können. Deswegen hatte sie dann begonnen, an der Hochschule für Sozialarbeit zu studieren. Sie hatte als Sozialarbeiterin arbeiten wollen.
Jetzt war sie tot.
Holtz nahm den Kopfhörer von den Ohren und erhob sich schwerfällig. Sein eines Bein war eingeschlafen. Die Teetasse war fast leer. Er überlegte, ob er noch eine Tasse trinken sollte, entschied sich dann aber dagegen. Er sah aus dem Fenster. Fast die ganze Hauptstadt lag ihm zu Füßen. Grüne und schwarze Dächer, die zusammengewürfelt wirkten, und unzählige Sendemasten, die immer zahlreicher wurden, ohne dass er je jemanden gesehen hätte, der sie montierte. Plötzlich tauchte wieder so ein grauer Kasten an einem Schornstein oder an einer Wand auf. Weit in der Ferne zwischen den
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