Der lächelnde Mörder - Gyllander, V: Der lächelnde Mörder - Somliga linor brister
mit Farbklecksen füllte die andere Hälfte der Zeitungsseite. Es war Sommer, und sie kletterte eine Leiter hoch. Ihr Blick richtete sich schräg nach oben auf einen Punkt außerhalb des Bildes. Sie lächelte. In einer Hand hielt sie einen Pinsel. Die Bildunterschrift bestand aus einer Frage:
»Warum wurde Jenny ermordet?«
Das frage ich mich auch, dachte Holtz, der einen ganzen Stapel Zeitungen vor sich auf seinem Bürofußboden ausgebreitet hatte. Die Meldungen der großen Tageszeitungen waren zurückhaltender. Außer der Tatsache, dass eine Tote in einem Brunnen im Zentrum gefunden worden sei, war dort nur zu lesen, die Polizei schließe ein Verbrechen nicht aus.
Die Boulevardzeitungen hauten dagegen richtig auf die Pauke.
In ein aus großer Höhe aufgenommenes Bild des Brunnens war ein roter Kreis eingezeichnet, um dem Leser genau zu zeigen, wo die Tote aufgefunden worden war.
»Ich habe sie gefunden.«
Eine Zeugin namens Annika, die keinen Nachnamen zu haben schien, erzählte, wie sie am frühen Sonntagmorgen quer über den Kreisverkehr gegangen und dabei am Brunnen vorbeigekommen war.
»Ich bin am Brunnen stehen geblieben, und da habe ich sie unter der Wasseroberfläche liegen gesehen, das war ein schreckliches Erlebnis. Ich habe natürlich sofort mit dem Handy die Polizei verständigt.«
Um diese Aussage zu unterstreichen, hatte der Fotograf Annika dazu gebracht, sich das Handy wie ein Ausrufezeichen vor das Gesicht zu halten.
Die Zeitung berichtete eingehend über den Mord und wies auf eine Quelle mit Einblick in die Ermittlungsarbeit hin. Eine lange Reihe Porträts, fünf Stück, unten auf der Seite, zeigte alle Reporter, die an der Story gearbeitet hatten.
Ulf Holtz ließ die Zeitung mit einem Seufzer zu Boden fallen. Er wusste, was geschehen würde. Oder geschehen konnte. Wenn nichts anderes das Interesse der Nachrichtenredaktionen auf sich zog, dann würde eine haarsträubende Enthüllung nach der anderen für Schlagzeilen sorgen. Ein Mord war genau das, was sie bei der gerade einsetzenden Sommerflaute benötigten. Der einzige Vorteil an der Sache war seiner Meinung nach, dass niemand wissen konnte, was wirklich wahr war. Weder die Leser noch die Mordverdächtigen. Die Wahrheit wurde mit erfundenen Geschichten vermischt, und das war fast genauso effektiv wie Geheimhaltung und Informationssperre. Außerdem glauben die Leser ohnehin, dass das, was da steht, erfunden ist, auch wenn es zufälligerweise einmal wahr sein sollte, dachte er.
Ulf Holtz war froh, dass nicht er gezwungen sein würde, die Fragen der Journalisten zu beantworten. Aus irgendeinem Grund hatte sich nie jemand bei ihm gemeldet, vermutlich weil er als Techniker formell nicht zum Ermittlerteam gehörte. Das machte ihn fast unsichtbar. Er war dankbar für seine anonyme Rolle, aber er wusste auch, dass sich das jederzeit ändern konnte. Wenn das Interesse zunahm, würde der Pressesprecher Anders Sylén zwischen die Ermittler und die Journalisten geschaltet werden. Und da Sylén im Regelfall weniger wusste als die Reporter, wurde die Information, die von der Polizei kam, mehr oder minder wertlos.
Holtz hatte gehört, dass Sylén in letzter Zeit die erste Worthälfte »Presse« wegließ und sich nur noch, schnittiger, »Sprecher« nannte oder noch lieber »spokesperson«. Damit wollte er andeuten, dass er über direkte Kontakte zur Führung verfügte, sein Wissen aber aus ermittlungstaktischen Gründen nicht preisgeben konnte. Es ärgerte ihn, dass ihn die Journalisten weiterhin als Pressesprecher bezeichneten.
Verhängte man eine Informationssperre, dann würde die Suche nach Einzelheiten ganz andere Wege nehmen. Das beunruhigte Holtz. Aber man weiß nie, dachte er. Nachrichten führen ein undurchschaubares Eigenleben. Manchmal geschehen schwere Verbrechen fast ohne zur Kenntnis genommen zu werden, und andere unkompliziertere und weniger spektakuläre Fälle sorgen für eine Sensation. Es war ihm unbegreiflich.
Immer wieder hieß es, Polizisten ließen sich für Gespräche mit Journalisten bezahlen, aber niemand wusste etwas Genaues. Holtz glaubte eher an die Macht der Eitelkeit.
»Vermutlich genießen sie es, eine enthüllende Schlagzeile zu sehen und zu wissen, dass sie daran teilhatten«, sagte er wenig später zu Pia Levin, als sie in ihrem Büro die Zeitungen durchgingen.
»Vielleicht, ich weiß nicht …«, murmelte sie und las weiter.
»Wer hat ihnen bloß die Information geliefert, sie sei erschlagen worden? Was glaubst
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