Der lächelnde Mörder - Gyllander, V: Der lächelnde Mörder - Somliga linor brister
sich trotzdem krampfhaft an dem Seil fest, das sorgfältig am Geländer an der Straße festgebunden war. Wenn man abstürzt, hat man wirklich keine Chance, entweder man stirbt beim Aufprall, oder man wird überfahren, dachte Holtz und sah auf den zügigen Verkehr auf der Autobahnbrücke fünfzig Meter unter sich. Plötzlich wurde ihm schwindelig, und er musste den Blick abwenden.
Er setzte sich auf die nur wenige Quadratmeter große Rasenfläche zwischen Abgrund und Felswand und betrachtete das Muster, das die dunklen Flecken bildeten, die bis in eine Höhe von über zwei Metern reichten.
Auf der Erde war nicht mehr abzulesen, was sich abgespielt hatte. Alles, was herumgelegen hatte, hatten die Kriminaltechniker mitgenommen, einschließlich möglichst vieler Knochenfragmente. Die Wiese die Erde hatten alles andere verschluckt. Bodenproben waren für DNA-Tests entnommen worden. Aber bis sie diese Resultate bekamen, würde einige Zeit verstreichen, außerdem gaben sie sich keinen Illusionen hin, dass sie ihnen weiterhelfen würden.
Pia Levin filmte den Tatort. Ab und zu hielt sie inne und zoomte. Die Festplatte der Digitalkamera war sowohl für Videosequenzen als auch für Standbilder mit sehr hoher Auflösung ausgelegt.
In der einen Hand hielt sie das Seil, in der anderen die Kamera. Sie stand mit dem Rücken zum Hang und lehnte sich zurück, um einen möglichst großen Ausschnitt einzufangen. Sie war so in ihre Arbeit vertieft, dass sie nicht merkte, wie die Erde unter ihr nachgab. Kleine Steine lösten sich und kullerten zusammen mit Grasbüscheln und Erdbrocken hinunter. Einer ihrer Schuhe glitt ins Leere.
»Pass auf!«, schrie Holtz, gerade als Pia in Panik geriet. Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals, und ihre Augen waren vor Schreck geweitet, während sie nach hinten kippte.
Und fiel.
Pia Levin ließ die Kamera los und packte das Seil mit beiden Händen. Es dehnte sich, als sie stürzte. Im selben Augenblick warf sich Ulf Holtz zu ihr hinüber und packte sie an der Jacke. Mit den Füßen im Nichts blieb sie an der Kante hängen.
Es wurde still. Einige Sekunden lang. Dann begann Pia zu lachen. Ulf Holtz musste ebenfalls lachen. Die Spannung verschwand, und beide rollten sich auf sichereren Boden.
»Mach das nicht noch einmal«, ermahnte Holtz sie mit gespieltem Ernst.
»Versprochen«, sagte Levin mit einem breiten Lächeln und streckte die Hand nach der Kamera aus, die nur wenige Zentimeter vom Abgrund entfernt lag.
»Wir sind zum Arbeiten hier und nicht um irgendwelche Stunts nachzustellen«, meinte Holtz kopfschüttelnd.
Er erhob sich schwerfällig und klopfte sich die Knie ab. Dann reichte er Pia die Hand und zog sie hoch.
»Also«, sagte Holtz, nachdem er sich wieder gesammelt hatte. »Peter Konstantino stand wahrscheinlich hier auf festem Boden, den Abhang hinter sich, und wollte zu sprayen beginnen, als er von der Kugel im Kopf getroffen wurde. Vermutlich ist er erst nach vorne geschleudert worden, dann zusammengesackt und schließlich den Hang runtergerutscht, bis er vom Sicherungsgurt aufgefangen wurde. Das könnte doch so stimmen, oder?«
»Die Blutspritzer legen das nahe«, erwiderte Levin.
»Wie groß war er?«
Pia Levin legte die Kamera beiseite und zog einen Block aus ihrer Tasche. Sie blätterte kurz.
»Ein Meter zweiundachtzig.«
Holtz zog einen Zollstock aus einer der Taschen an seinen Hosenbeinen.
»Halt ihn bitte«, sagte er und achtete dann sorgfältig darauf, nicht zu nahe an die Kante zu geraten.
Pia Levin nahm den ausgeklappten Zollstock entgegen und stellte ihn auf die Erde. Mit Daumen und Zeigefinger hielt sie ihn bei ein Meter achtzig fest.
»Stell dir vor, du stehst vor einer Felswand, du willst ein Graffiti malen und hältst die Hand mit der Farbdose in die Höhe. Vermutlich stehst du etwa einen Meter von der Felswand entfernt.«
Levin baute sich mit dem Rücken zu Holtz auf, damit er sich ein Bild davon machen konnte, wie der Ermordete gestanden hatte, als er von der Kugel getroffen worden war.
»Die Spritzer an der Felswand sind oval und schräg nach oben gerichtet. Das deutet darauf hin, dass er von unten getroffen wurde. Wir müssen die Blutspritzer nachher vielleicht noch genauer analysieren, aber er müsste also hier gestanden haben.« Holtz deutete auf einen Punkt auf der Erde.
Pia Levin trat ein paar Schritte bis zu der Stelle vor, auf die Holtz zeigte. Holtz betrachtete Levins Hinterkopf, umfasste ihn mit beiden Händen, drehte ihn etwas, bis er sich in der
Weitere Kostenlose Bücher