Der lange dunkle Fünfuhrtee der Seele
einer beherrschten Ruhe, die nur ein kleines bißchen länger als eine Sekunde währte.
Der größte Teil seines Mandanten saß still in einem bequemen Sessel vor der Stereoanlage. Der Sessel war in optimaler Hörposition aufgestellt - etwa zweimal so weit von den Lautsprechern entfernt, wie der Abstand zwischen ihnen betrug, was im allgemeinen als ideal für den Stereoeindruck gilt.
Er schien im allgemeinen lässig und entspannt, hatte die Beine übergeschlagen und eine halb geleerte Tasse Kaffee auf einem kleinen Tischchen neben sich. Betrüblicherweise jedoch saß sein Kopf säuberlich mitten auf der Schallplatte, die sich auf dem Plattenteller drehte, wobei der Tonarm sich an seinen Hals schmiegte und ständig in dieselbe Rille zurückgelenkt wurde. Während der Kopf sich drehte, schien er ungefähr alle 1,8 Sekunden Dirk einen vorwurfsvollen Blick zuzuwerfen, als wolle er sagen: »Da siehst du, was geschieht, wenn du nicht pünktlich kommst, wie ich dich gebeten habe«, dann schwenkte er herum zur Wand, herum, herum und wieder nach vorn mit noch größerem Vorwurf im Gesicht.
»Heb sie nicht auf, nicht auf, nicht a-
Heb sie nicht auf, nicht auf, nicht a-«
Der Raum um Dirk herum schwankte ein wenig, und er streckte die Hand zur Wand aus, um ihn zu beruhigen.
»War es eine bestimmte Aufgabe, die Sie für Ihren Mandanten übernehmen sollten?« fragte Gilks sehr ruhig hinter ihm.
»Ach, äh, nur eine kleine Angelegenheit«, sagte Dirk schwach. »Nichts, was mit dem Ganzen hier etwas zu tun hat. Nein, er, äh, erwähnte überhaupt nichts von irgend so was. Tja, hören Sie, da ich sehe, daß Sie beschäftigt sind, nehme ich wohl am besten einfach mein Honorar und verschwinde. Sie sagen, er hat es für mich bereitgelegt?«
Nach diesen Worten setzte Dirk sich schwer auf einen kleinen Wiener Kaffeehausstuhl, der hinter ihm stand und unter ihm zusammenbrach.
Gilks hievte ihn wieder auf die Füße und lehnte ihn gegen die Wand. Er verließ kurz das Zimmer, dann kehrte er mit einem kleinen Krug Wasser und einem Glas auf einem Tablett zurück. Er goß etwas Wasser in das Glas, brachte es Dirk und schüttete es ihm ins Gesicht.
»Besser?«
»Nein«, prustete Dirk, »können Sie nicht wenigstens die Platte abschalten?«
»Das ist Aufgabe der Spurensicherung. Darf nichts berühren, ehe die Schlaumeier nicht hiergewesen sind. Vielleicht sind sie das jetzt endlich. Gehn Sie raus in den Patio und schnappen Sie etwas Luft. Ketten Sie sich ans Geländer und berappeln Sie sich 'n bißchen, ich bin selber mit der Zeit knapp dran. Und versuchen Sie, weniger grün auszusehen, ja? Das ist nicht Ihre Farbe.«
»Heb sie nicht auf, nicht auf, nicht a-
Heb sie nicht auf, nicht auf, nicht a-«
Gilks drehte sich müde und verdrossen um und wollte eben hinausgehen und die Treppe hochsteigen, um die Neuangekommenen zu begrüßen, deren Stimmen man oben im Erdgeschoß hörte, als er zögerte und einige Sekunden den Kopf betrachtete, der sich geduldig auf seinem schweren Teller drehte.
»Wissen Sie«, sagte er schließlich, »diese angeberischen, protzigen Selbstmorde machen mich wirklich schwach. Sie tun's nur, um einen zu ärgern.«
»Selbstmord?« fragte Dirk.
Gilks drehte den Kopf und sah ihn an.
»Fenster mit anderthalb Zentimeter dicken Eisenstäben gesichert«, sagte er. »Tür von innen verschlossen, und der Schlüssel steckt im Schloß. Möbel gegen die Innenseite der Tür gestapelt. Terrassentüren zum Patio mit Einsteckschlössern verschlossen. Keine Anzeichen von einem unterirdischen Gang. Wenn es Mord war, dann muß der Mörder beim Rausgehen 'ne Pause eingelegt und verdammt feine Glaserarbeiten verrichtet haben. Abgesehen davon ist der ganze Kitt alt und überstrichen.
Nein. Niemand hat diesen Raum verlassen, und niemand außer uns hat sich mit Gewalt Eingang verschafft, und ich bin ziemlich sicher, daß wir's nicht gewesen sind.
Ich habe keine Zeit, um an der Sache lange rumzubasteln. Offenkundig Selbstmord, und nur verübt, um schwierig zu sein. Ich hätte fast Lust, den Toten wegen Vergeudung polizeilicher Arbeitszeit zu verhaften. Wissen Sie was?« sagte er und sah auf seine Uhr. »Ich gebe Ihnen zehn Minuten. Wenn Ihnen dazu, wie er's gemacht hat, eine plausible Erklärung einfällt, die ich in meinen Bericht setzen kann, dann dürfen Sie das Beweisstück in dem Umschlag behalten, minus 20 Prozent Entschädigung für mich für den ganzen Gefühlsverschleiß, worunter fällt, daß ich Ihnen keine ins Maul
Weitere Kostenlose Bücher