Der Lange Weg Des Lukas B.
den Arbeitern gegenüber.
»Wir können es ja probieren«, rief Warich.
»Gemacht«, sagte Caleb. »Die Stämme müssen gleich dick und gleich lang sein.«
»Einverstanden«, sagte der alte Mann.
»Ich wähle diesen Eichenstamm hier.« Caleb zeigte auf einen gewaltigen, knorrigen Baum von etwa zwölf Metern Länge. »Sie können sich hier auf dem Platz irgendein Holz aussuchen. Ganz gleich, welches. Nur, es muss so lang und so dick wie diese Eiche hier sein.«
»Ganz gleich, welches Holz?«, vergewisserte sich der alte Mann.
»Ja, völlig gleichgültig. Mein Herkules sägt Sie in Grund und Boden, selbst wenn Sie eine Pappel finden.«
»Abgemacht.«
»Morgen ist Sonntag«, sagte Caleb Miller. »Nach dem Gottesdienst kann es losgehen.«
»Ja, nach der Messe«, bestätigte der alte Mann.
»Was, Katholiken sind Sie auch noch? Da wird Ihr Papst weinen, wenn er hört, was Sie vorhaben.«
Schon am Nachmittag hatte es sich in der ganzen Stadt herumgesprochen, dass ein Wettkampf stattfinden sollte. Wetten wurden abgeschlossen, aber kaum einer wollte einen Dollar auf die Zimmerleute setzen, obwohl die Wetthalter im Falle ihres Sieges das Zwanzigfache für den Einsatz boten.
Der alte Mann hatte zu seinen Männern gesagt: »Ihr wisst, was ihr zu tun habt«, und war auf den Holzplatz gegangen. Er hatte bald einen Stamm gefunden, der den Ausmaßen der Eiche entsprach. Aber kein einziger Ast war zu sehen, keine Nuss. Es war ein makelloser, rötlicher Fichtenstamm, in einem guten, feuchten Boden gewachsen, mit breiten Jahresringen. Er zeigte Caleb, was er sich ausgesucht hatte.
»Sie verstehen etwas vom Holz, Mister Bienmann. Und Mut haben Ihre Männer auch. Aber ich hoffe, Sie sind sich darüber klar, dass morgen der ganze Mississippi zwischen New Orleans und St. Louis über die Männer lachen wird, die eine Maschine besiegen wollten?«
»Warten wir’s ab«, antwortete der alte Mann.
Caleb Miller schüttelte den Kopf, lachte und ging davon. Er ließ von den Arbeitern die Längswand des Schuppens abnehmen, damit am Sonntag alle den Triumph seines Herkules in jeder Phase des Kampfes miterleben konnten. Er wusste, dass die halbe Stadt sich dieses Spektakel nicht entgehen lassen würde.
»Das ist eine Werbung für mein Dampfsägewerk, wie ich sie mir schon immer gewünscht habe«, schmunzelte er zufrieden.
Die Zimmerleute feilten die Sägezähne ihrer Sägen scharf, schränkten die Sägeblätter und überprüften die Eschengriffe. Sie bockten den Fichtenstamm auf, verkeilten ihn, rußten die Schnur ein und schnürten mit einem deutlichen schwarzen Strich das Brett ab.
»Geh und kauf Speckschwarten, so viel du bekommen kannst«, sagte Döblin zu Mathilde. »Unsere Sägen sollen glänzen vor Fett.«
»Drei von uns können nicht mitsägen«, sagte der alte Mann, als sie am Abend um ein Feuer saßen. Ohne eine lange Diskussion aufkommen zu lassen, bestimmte er: »Döblin, Piet und Luke werden nicht mitsägen.«
Döblin protestierte und wandte ein: »Ich bin zwar, Friedrich Bienmann, über 70 Jahre alt, aber ich nehme es mit jedem jungen Burschen auf.«
»Wir brauchen dich für eine ganz andere Sache«, sagte der alte Mann. »Du gibst die Wechselkommandos für unsere Leute. Außerdem bist du dafür verantwortlich, dass die Sägen eingefettet und zur rechten Zeit ausgewechselt werden. Sie dürfen nicht zu heiß werden. Dabei hilft dir der Junge. Der Lehrer hat ein gutes Auge. Er verfolgt genau den Wettkampf und wird uns immer den neuesten Stand mitteilen. Keiner soll sich unterstehen herumzulaufen, wenn er gerade nicht an der Säge ist. Ihr legt euch dann in den Wagen und ruht euch aus.«
»Ich werde euch die Muskeln massieren«, rief Jeremy begeistert.
»Das habe ich früher oft bei den Rennpferden vom Massa gemacht. Ich presse alle Müdigkeit heraus.«
Dann entwickelte der alte Mann seinen Plan in allen Einzelheiten und weihte jeden genau ein in das, was er zu tun hatte. Er teilte die Mannschaften ein und achtete darauf, dass die Männer, die zu einer Gruppe gehörten, ungefähr gleich stark waren.
»Ihr, Mathilde und Georgia, ihr sorgt dafür, dass es zwischendurch immer etwas Erfrischendes zu trinken gibt. Aber lasst mir das Bier weg und schlagt euch den Bauch nicht zu voll, Männer. Sonst kriegt ihr Seitenstiche und macht schlapp.«
Die Zimmerleute waren von dem schlau ausgeklügelten Plan des alten Mannes begeistert. Sie zeigten wenig Lust vom Feuer wegzugehen, aber der alte Mann meinte, dass ein langer
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