Der Lange Weg Des Lukas B.
zum Schlittschuhlaufen gewesen. Er hatte mehrmals absichtlich Warichs Lisa mit der Schulter berührt. Lange waren sie dicht nebeneinander über den glatten Spiegel geglitten. Schließlich begannen die anderen sie zu hänseln, allen voran die Zwillinge Anna und Katinka.
»Wenn ihr zu Hause davon redet«, hatte der Junge gedroht, »dann werde ich den Schweinen die Läuse von den Rücken schaben und sie euch ins Bett stecken.«
»Einfälle hat der«, kreischte Katinka. »Und das Schlimmste ist, der Luke bringt so was wirklich fertig.«
Die Zwillinge schüttelten sich.
Er hatte Holz für den Kachelofen gehackt, mit dem Schnitzmesser ein Gesicht aus einem Wurzelstock geschnitten, hatte am Sonntag in der Messe gezählt, dass der alte Pfarrer während der Predigt 34mal »meine lieben Christenmenschen« gesagt hatte, hatte hinter der Hand zu Lisa Warich hinübergeschaut. Aber selbst das Mädchen konnte den einen Gedanken aus seinem Kopf nicht verdrängen: Wir fahren mit dem Schlitten zur Küste, nach Danzig. Am Tage vor der Abreise hatte es eine Überraschung gegeben. Mathilde wollte mit in die Stadt fahren. Der Baron war in sein Stadthaus zurückgekehrt und hatte wichtige Papiere im Gutshaus vergessen.
»Die können wir doch mitnehmen«, hatte der alte Mann angeboten.
Mathilde hatte gereizt geantwortet: »Willst du mir die Fahrt nach Danzig nicht gönnen, Vater?«
Da hatte er nur noch vor sich hin gebrummt und auf den Verwalter geschimpft, der wohl zu viele Leute auf dem Gut in Dienst habe. Der Junge richtete am Nachmittag den Schlitten her. Zwei Personen passten auf den Bock, zwei konnten dahinter auf der Bank sitzen. Der Schlitten wurde mit Schaffellen ausgelegt. Der alte Mann fettete das Geschirr mit Tran und Anna und Katinka polierten die Silberglöckchen, bis man sich darin spiegeln konnte. Marie packte eine große Tasche mit Reiseproviant, vor allem angeräucherten Speck und Brot und hart gekochte Eier.
»Vergiss die Äxte nicht, Luke«, mahnte der alte Mann. »Steck vier davon unter die Bänke. Eine kleinere für Mathilde. Meine Büchse werde ich auch mitnehmen. Sicher kommen die Wölfe bald.« Der Junge suchte im Werkzeugschuppen Äxte mit scharfen Schneiden und verstaute sie unter der Schlittenbank.
»Jetzt könnt ihr kommen, ihr Wölfe«, sagte er laut und versuchte die Angst wegzureden, die ihm den Rücken heraufkroch. In der Nacht trieb der Wind Pulverschnee aus den Wolken, aber am Morgen spannte sich der Himmel wieder klar und blau über die weite Lichtung. Leichter Dunst hing in den Wäldern. Der Schlitten glitt fast lautlos über die Straße. Die Hufe der Pferde klangen wie in Watte gepackt. Es war die erste Spur, die an diesem Morgen in den Schnee geschnitten wurde. Die beiden leichten, braunen Pferde kannten den Weg. Sie liefen im Trab und der Junge hatte Mühe ihren Übermut zu zügeln. Über Ortelsburg hinaus war der Junge erst ein einziges Mal gekommen. Sein Vater hatte ihn damals vor sich auf dem Pferde mit nach Allenstein genommen. Er wollte dort einen alten Malerfreund besuchen und ihn um Rat fragen. Aber der Junge hatte nur eine unklare Erinnerung an die Stadt, eine Erinnerung an Türme und Kirchen. Sie fuhren den ganzen Tag. In einer Wirtschaft am Wege hatten sie sich eine kleine Pause gegönnt, etwas Warmes getrunken und von ihrem Proviant gegessen.
Es wurde schon dämmrig, als sich die Mauern von Allenstein zeigten. Hier fuhren viele Schlitten auf den Straßen. Der alte Mann setzte sich selbst auf den Bock, denn die Pferde waren jung und temperamentvoll und der Stadtlärm machte sie wild. Gleich hinter dem Stadttor bogen sie in eine schmale Gasse ein und fanden eine billige Herberge. Der alte Mann war zunächst allein in das Haus gegangen.
»Hier können wir bleiben«, sagte er, »ein Zimmer ist für die Männer da. Mathilde kann zu der Magd in die Kammer gehen.«
»Ist es ein sauberes Haus?«, fragte Mathilde und betrachtete misstrauisch das alte Gemäuer.
»Jedenfalls haben sie hier keine Wanzen und auch die Pferde finden einen warmen Stall.«
»Woher weißt du, Großvater, dass sie keine Wanzen haben? Wanzen beißen doch nur nachts.«
»Riechen kann man die Wanzen, Luke. Sie verbreiten einen ganz dünnen, säuerlichen Geruch. Aber dazu braucht man eine gute Nase und die Erfahrung von mindestens 10 000 Wanzenstichen.«
»Groß genug ist deine Nase ja, Vater«, lachte Mathilde. Sie fuhren den Schlitten in den Hof. Die Pferde wurden von einem Knecht versorgt.
Die niedrige
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