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Der Lange Weg Des Lukas B.

Der Lange Weg Des Lukas B.

Titel: Der Lange Weg Des Lukas B. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Faehrmann
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Gaststube hätte für viele Menschen Platz geboten. Lediglich vier Männer saßen um einen runden Tisch unter einer Petroleumlampe und spielten Karten. Ganz in der Ecke der Stube hockte noch ein Gast. Er rückte weiter in den Schatten, als er die Ankömmlinge bemerkte. Der Junge erkannte den Juden an den rötlich weißen Hunden, die vor dem Tisch lagen und nur träge blinzelten, als die Tür sich öffnete.
    »Nathan sitzt da«, machte er den alten Mann aufmerksam. Sie gingen zu dem Händler hinüber. Der alte Mann reichte ihm die Hand und fragte: »Die Reise schon beendet, Nathan?«
    »Lohnt sich nicht in diesem Jahr. Ich bin seit gestern zurück. Schlechte Zeiten für Nathan.« Dabei sah er aus, als ob er sich am liebsten aus dem Staube gemacht hätte.
    Sie setzten sich zu Nathan an den Tisch. Die Hunde knurrten und krochen unter die Bank.
    Die Wirtin kam und fragte, ob sie beim Abendessen mithalten wollten, es gäbe Kraut, frisches durchwachsenes Schweinefleisch, alles mit Kartoffeln durcheinander gekocht.
    »Haben Sie für mich Kraut und Kartoffeln ohne Fleisch?«, fragte Nathan.
    »Habe ich. Ich weiß doch, dass Sie ein Jude sind, der kein Schweinefleisch essen soll«, antwortete die Frau.
    »Und wenn ich mir erlauben darf«, fuhr Nathan fort, »möchte ich für diese Menschen aus dem schönen Dörfchen Liebenberg bestellen ein Gläschen Rotspon.«
    Der alte Mann sagte: »Das darfst du dir erlauben, Nathan. Ich verspreche dir dafür, nicht auf den Preis für ein gewisses silbernes Medaillon zu sprechen zu kommen.«
    Der Händler lachte befreit, sagte aber doch: »War gar nicht so wenig, was der Matrose mir hat abgenommen dafür in der großen Stadt Danzig.«
    Danzig also und nicht Königsberg, dachte der Junge. Er war müde und wäre nach dem fetten Essen fast auf der Bank eingeschlafen. Aber er wehrte aus einem anderen Grunde ab, als der Lehrer ihn fragte, ob er nicht mit Mathilde und ihm auf ein Stündchen in die Stadt wolle. Es gäbe einen schönen Markt anzusehen mit herrlichen Bürgerhäusern. Mathilde konnte ihre Freude über die Absage des Jungen kaum verbergen. Der Junge aber wollte auf eine gute Gelegenheit warten den Händler allein zu sprechen. Diese Gelegenheit kam. Kaum hatten der Lehrer und Mathilde das Haus verlassen, da wollte der alte Mann prüfen, ob der Knecht die Pferde gut versorgt hatte.
    »Sie müssen uns noch weit ziehen«, sagte er.
    Der Junge nahm allen Mut zusammen und fragte den Händler: »Nathan, es ist sehr wichtig für mich. Sage mir, was war das für ein Matrose, dem du das Bild abgekauft hast?« Der Jude schaute unter herabgesunkenen, schweren Lidern den Jungen lange an. »Ich weiß, Benjamin, wie dir ist ums Herz. Wenn man muss fort aus seinem Haus, aus dem Zimmer wird hinausgejagt, wo man gelernt hat die ersten tapsigen Schrittchen. Zweimal, Benjamin, haben sie getrieben den Juden Nathan aus Haus und Stadt. Ich weiß, ich weiß. Aber ich kann dir sagen fast nichts, weil ich nicht habe Bedeutung beigemessen dem Handel, dem kleinen.«
    »Wenn du mir wenigstens den Namen des Matrosen sagen kannst oder sein Schiff kennst?«
    »Nein, nein, Benjamin. Aber wart. Wenn ich mich besinne genau, dann hatte er auf der Hand tätowiert eine Nixe, ein Weib, ein nackiges, mit einem Schwanz von Schuppen. Und wenn er bewegte die Finger, dann sah es aus, als wenn sich rührte der Fischschwanz, der schuppige.«
    »Weiter«, drängte der Junge.
    »Nichts weiter, Benjamin. Mach dir nicht Hoffnung, nicht große. Hat fast jeder Matrose in Danzig bemalt seine Haut.«
    »Wann hast du das Medaillon gekauft, Nathan?«
    »Ist noch nicht sehr lange her, Jungchen. Hab ich gleich gesehen, ist etwas, was gemalt hat der Karl, dein Vater. Hab ich vor Jahren gemacht so manches Geschäftchen mit den Bildern, den kleinen. Schade, Benjamin, dass er ist verschwunden. Hätte verkaufen können noch so manches Bildchen.«
    Der alte Mann kehrte wieder in die Gaststube zurück. »Wird wieder kalt heute Nacht«, sagte er und bestellte für Nathan und für sich selbst einen Grog. Der Junge wollte ins Bett. Die Wirtin trug ihm ein Windlicht voran und führte ihn über eine steile, knarrende Holztreppe in das Obergeschoss des Hauses. In der Kammer standen zwei breite Betten. In dem einen schnaufte und schnarchte ein Mann. Zuerst dachte der Junge, der Lehrer sei schon in die Federn gekrochen, aber dann fiel sein Blick auf hohe, schmutzige Leder­stiefel, die vor dem Bett auf dem Boden lagen. Solche Stiefel besaß der Lehrer

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