Der Leberwurst-Mörder
den Kopf und hat dabei die Augen fest auf Jule gerichtet. »Ich freue mich. Sehr.«
»Ich auch«, strahlt Jule. »Und danke fürs Tragen.« Sie winkt ihm noch zu, als wir im Auto sitzen und losfahren.
»Oh je«, lacht Mara, »da braut sich was zusammen!«
»Was?« Jule spielt die Arglose. »Zieht etwa schon wieder ein Gewitter auf?«
Weil es schon spät ist und sie am nächsten Morgen gemeinsam die E-Mails von Liane anschauen wollen, bleibt Mara mit Flocke über Nacht bei uns. Ich habe mein Körbchen nun wieder ganz für mich allein, da Jule die Katzenkinder in das Körbchen aus Lianes Wohnung legt. Allerdings spüre ich mitten in der Nacht wieder etwas Weiches, Kleines, das sich an meinen Bauch schmiegt. Im Halbschlaf wedele ich mit dem Schwanz und freue mich. Das Kuscheln der Kleinen hätte ich sonst auch vermisst.
Am Morgen werde ich unsanft aus dem Schlaf gerissen. Jemand klingelt Sturm! Diesmal an unserer Haustür.
»Meine Güte«, stöhnt Jule. Sie ist noch im Pyjama, bestehend aus kurzer Hose und T-Shirt, und reibt sich den Schlaf aus den Augen. »Acht Uhr. Aber es fühlt sich an wie mitten in der Nacht.«
»Nee, oder? Das wird doch nicht schon wieder die Polizei sein? Um diese Zeit?« Mara gähnt und huscht ins Bad. »Ich bin nicht da, ich bin ja nur der Besuch.«
Jule tappt mit nackten Füßen zur Tür, und ich begleite sie bellend. »Rika, aus!«, beschwichtigt sie mich.
Na gut, ich belle nicht mehr. Erst einmal. Aber ein bisschen Knurren ist erlaubt, oder? Ich werde dem Störenfried zeigen, dass man so früh keinen anständigen Hund aus dem Schlaf reißt.
»Nehmen Se das Vieh anne Leine!«, kreischt es vor der Haustür, kaum dass Jule sie öffnet. Sie stöhnt auf. Da draußen steht die dicke Schmitz von gegenüber, im Morgenmantel und mit so komischen bunten Lockenwicklern im Haar. Da muss ich sie nun doch anbellen.
»Rika, ganz ruhig«, streicht Jule mir über den Kopf und schiebt mich ein Stück weg, sodass ich hinter ihr stehe und zwischen ihren Beinen hindurch nach draußen sehen kann.
Na gut, da ich neugierig bin, zu erfahren, was die Frau will, verlege ich mich erneut auf leises Knurren. So verstehe ich trotzdem, was sie zu sagen hat. Doch so, wie sie weiterkeift, würde sie auch das lauteste Bellen übertönen.
»Der Köter hat mir vor de Tür gekackt!«, schreit sie so entrüstet, dass dabei kleine Spucketropfen zwischen ihren gelblichen Zähnen hindurch nach draußen schießen. Jule geht vorsichtshalber einen Schritt zurück, doch die Schmitz folgt ihr. Hat sie das etwa als Einladung aufgefasst, unser Haus zu betreten?
Ich belle sie nun heftiger an. Und tatsächlich weicht sie einen Schritt zurück, wobei sie schon wieder anfängt, zu kreischen.
»Gemeingefährlich is das Viech, verboten gehört das, jawoll!« Sie schimpft weiter und möchte wohl am liebsten gar nicht mehr aufhören. Doch irgendwann muss auch Frau Schmitz einmal Luft holen, sonst würde sie womöglich mit einem lauten Plumpsen in unseren Vorgarten kippen.
Diese Chance nutzt Jule, um zu erwidern, dass ich es ganz gewiss nicht gewesen bin, die ihr Häufchen vor Schmitz’ Haustür gesetzt hat, da sie mich immer an der Leine bis zum Stadtpark führt. Hin und her geht es, und die dicke Frau behauptet, dass ich ja erst neulich ohne Leine auf sie zugerannt wäre und sie beißen wollte. Von all dem Krach angelockt, tapsen die drei Katzenkinder herbei, bleiben aber sicherheitshalber hinter mir stehen und schauen neugierig in Richtung Tür.
»Ja, is das ’n Tierheim hier, oder was?«, geht das Gekeife sofort weiter. »Das is ja asozial!«
Die Frau redet sich so in Rage, dass Jule ratlos schaut und gar nicht weiß, was sie tun soll. Ich knurre drohend etwas lauter. Da kommt Mara zu Hilfe. Sie hat Jules Bademantel übergeworfen, umfasst Jule an der Schulter und zieht sie sanft ins Haus zurück. »Komm Süße, hat eh keinen Zweck.« Damit schlägt sie die Haustür einfach zu.
Ein Aufschrei kommt von draußen: »Frechheit!«
Langsam aber wird das Geschimpfe leiser, und ich höre, wie schlurfende Schritte sich entfernen.
»Nun erst mal Frühstück, das haben wir uns verdient«, grinst Mara. »Welchem Gruselfilm ist die denn entsprungen?«
Jule zuckt hilflos mit den Schultern. »Weiß auch nicht. Am Anfang war sie ganz nett oder tat zumindest so. Seit letzter Woche spinnt sie völlig.«
Kaffeeduft erfüllt das Haus, als Mara, Flocke und ich von der morgendlichen Gassirunde aus dem Stadtpark
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