Der Leberwurst-Mörder
Maschinenöl und Erde. Von vorne aus dem Fahrgastraum wehen Geruchsfetzen von Schmutz, Alkohol, menschlichen Exkrementen und Erbrochenem herüber, auch wenn die Polizisten versucht haben, diese mit einer Vielzahl von Reinigungsmitteln und einem am Rückspiegel baumelnden Duftbaum zu vertreiben.
Ich springe unruhig hin und her und schaue aus dem Fenster, während das Polizeiauto sich in Bewegung setzt. Die beiden Polizisten lachen und sprechen miteinander, sie scheinen nicht böse auf mich zu sein.
Warum haben sie mich dann eingefangen? Ich bin kein herrenloser Straßenhund, Jule wird mich sicher schon vermissen. Bei dem Gedanken schäme ich mich, denn ich habe überhaupt nicht an Jule gedacht, als ich die Verfolgung des Metzgers aufnahm. Der Maulkorb tut mir an der Schnauze weh, er ist zu eng, und ich mag den Angstgeruch der fremden Hunde nicht.
Wir fahren jetzt am Stadtpark entlang, und einmal glaube ich, in der Ferne Jules blaues Kleid und die langen blonden Haare durch das Laub der Bäume schimmern zu sehen. Ach, was gäbe ich drum, jetzt dort mit ihr springen und meinem Ball hinterherjagen zu können!
Stattdessen hält der Streifenwagen wenig später vor einem mir sehr bekannten Haus, dem Tierheim! Erleichtert und erfreut beginne ich zu hecheln und zu fiepen, denn gleich wird sich alles aufklären, Paula und Erika kennen mich doch. In freudiger Erwartung laufe ich neben den beiden Polizisten her ins Büro, wo eine mir unbekannte junge Frau mit fettigem schwarzem Haar, schwarzem T-Shirt und einem dicken schwarzen Piercing-Knopf in der Unterlippe am Schreibtisch sitzt und missmutig guckt, als sie mich sieht.
»Wir haben sonntags eigentlich zu«, mault sie die Polizisten an. »Außerdem sind wir übervoll.« Mürrisch erhebt sie sich und schaut mich etwas genauer an.
»Wo habt ihr den denn her? Der hat doch ’ne Hundemarke.«
»Es gab eine Beschwerde vom Tennisplatz über einen aggressiven Hund, und wir waren gerade in der Nähe.«
Ich schaue mich im Büro um, kann aber Nino nirgends entdecken.
»Dann müssen wir den Besitzer anhand der Hundemarke ausfindig machen. Geht aber erst morgen, wenn das Rathaus wieder offen hat.«
Sie nimmt dem Polizisten die Leine aus der Hand und läuft mit mir durch die Tür in einen langen Flur, der weiter ins Innere des Gebäudes reicht. Alles hier ist mir irgendwie vertraut, und doch möchte ich nicht hier sein. Das andere Flurende führt hinaus ins Freigelände. Ich kann Harry, den Beagle, sehen, ziehe aufgeregt an der Leine und belle ihm ein Hallo zu.
Er schaut noch verwirrter als bei unserer letzten Begegnung. Ach, Harry, ich verstehe doch selbst nicht, was hier passiert. Leider komme ich nicht dazu, mich mit Harry zu unterhalten, denn die gepiercte Frau zerrt mich an der Leine unsanft nach rechts. »Ganz ruhig, du gehst erst einmal schön hier rein«, bestimmt sie.
Ehe ich mich richtig besinne, bin ich nicht etwa draußen bei den anderen Hunden, wie ich gehofft hatte, sondern hinter einer dicken Stahltür in einem ungemütlichen Zwinger.
Rums! Mit einem metallenen Krachen fällt die Tür hinter mir ins Schloss. Ich bin allein. Wieder einmal im Tierheim gefangen.
Erinnerungen kommen hoch, wie ich als kleiner Hund zitternd vor Angst hier saß und keine Ahnung hatte, dass ich es später so gut bei Jule haben würde. Erzählungen anderer Hunde fallen mir ein, wie es ihnen ergangen war, bevor sie hier landeten. Was sie alles Schlechtes erlebt hatten.
Mein Freund Nino, der hier wohl nie wieder herauskommen wird, fehlt mir. Wo ist er nur? Könnte ich wenigstens mit Harry reden. Aber die dicke Metalltür lässt kaum Geräusche oder Gerüche durch. Und der Durchgang zum Freigelände ist mit einer Gittertür versperrt, sodass Harry nicht einmal bis in den Flur laufen kann. Hier hocke ich nun mit meinen traurigen Gedanken, fühle mich hundeseelenallein und wie im Gefängnis. Vor dem winzigen Fenster ist tatsächlich ein engmaschiges Drahtgitter angebracht. Mir kommt Carlas Traum in den Sinn, von dem sie Jule erzählt hatte und der sie in Sorge um ihre Tochter hierher reisen ließ. Ach, Carla, du hast nicht Jule im Gefängnis gesehen, sondern mich.
Die Sonnenstrahlen wandern über den Boden, bis sie schließlich von einem schmalen Streifen kalten Mondlichts abgelöst werden. Ich habe einen Napf mit Trockenfutter und einen zweiten mit Wasser hingestellt bekommen. In der Ecke liegt eine Gummimatte, die wohl mein Bett sein soll. Auch sie vereint den Geruch von
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