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Der Leguan will das nicht: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Der Leguan will das nicht: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Titel: Der Leguan will das nicht: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)
Autoren: Giusi Marchetta
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Wesenszüge, die ihn seit seiner frühen Kindheit prägen. Die Mittelstufe war ein Desaster. Dies ist nun sein erster wirklicher Eintritt in die Welt.
    Wenn ich den Blick von der Tagesordnung hebe, sitzt Andrea mit einem Bleistift im Mund am Tischende und schaukelt vor und zurück. Ich bin die Einzige, die ihn sieht.
    »Wir sollten uns immer vor Augen halten, dass kein Fall völlig unlösbar ist«, sagt die Belcari.
    »So ein Quatsch«, stößt Nicolini vom anderen Ende des Tisches hervor. Die ganze Zeit über hat er mit vor der Brust verschränkten Armen dagesessen und aus dem Fenster geschaut. »Sag uns einfach, ob er in der Klasse bleiben kann, ohne jemanden umzubringen.«
    Da lacht der unsichtbare Gast und sticht sich mit der Spitze des Bleistifts in die Brust.
    Die Belcari öffnet den Mund, um darauf zu antworten. Doch in diesem Moment taucht Signora Maria in der Tür auf: »Signora Riccardi ist da.«
 
    »Schaut sie euch an, diese Eltern, wenn sie in die Schule kommen. Lernt, jene zu erkennen, die das Kreuz auf sich nehmen und sich dafür begeistern. Achtet auf jene, die sich für verflucht halten, weil sie in ihrer Jugend irgendeinen Scheiß gebaut haben: Selbst das begriffsstutzigste Kind hat es nicht verdient, wie eine Strafe Gottes behandelt zu werden. Mit diesen Leuten werdet ihr euch sogar herumstreiten müssen, falls sie unangenehm werden. Bei alledem dürft ihr jedoch niemals vergessen: Es sind Menschen, die Trauerarbeit leisten.«
    »Was meinen Sie damit?«, fragte Anna mit betrübter Miene.
    »Sagen Sie es mir«, erwiderte Biagini. »Was passiert, wenn man Trauerarbeit leistet?«
    Alle drehten sich zu uns um.
    »Man akzeptiert nach und nach, dass die Dinge nicht so sind, wie wir sie gerne hätten«, antwortete sie. Ihre Stimme zitterte. »Man denkt, dass das nicht gerecht ist, dass uns das nicht hätte passieren müssen. Mit der Zeit finden wir uns damit ab.«
    Biagini schüttelte den Kopf.
    »Nein, man leidet.«
 
    Andrea überlässt den Platz seiner Mutter, schaukelt noch ein wenig neben dem Stuhl hin und her, zieht sich dann zurück und verschwindet im Halbdunkel des Zimmers. Sie ist eine hübsche Frau um die vierzig.
    »Guten Tag, Signora Riccardi, wir haben Sie zu einer außerordentlichen Klassenkonferenz gebeten.« Die Stimme der Schulleiterin klingt vorwurfsvoll. Die Signora hat etwas falsch gemacht, auch wenn ich nicht sagen könnte, wann.
    Die Belcari ergreift das Wort, ehe ihr andere zuvorkommen. »Andreas Eingliederung erweist sich als komplizierter als gedacht. Einige Vorfälle haben uns sprachlos gemacht, und wir erwägen momentan mögliche Vorgehensweisen.«
    »Vorfälle?«
    »Überfälle«, erwidert Miranda.
    »Nichts Ernstes, keine Sorge«, versichert ihr die Belcari. »Aber vielleicht wäre es besser, wenn wir versuchen würden, diesen Schuleintritt für ihn etwas weniger traumatisch zu gestalten.«
    »Das Förderbüro«, sagt die Signora und lächelt unerwartet. »Entschuldigen Sie. Ich war schon mal bei einer solchen Klassenkonferenz. In der Mittelstufe.«
    Wir verstehen nicht so recht. Sie fährt fort.
    » Überfälle , haben Sie gesagt?«
    Miranda ergreift das Wort. »Überfälle. Auf mich, die Hausmeisterin, erst gestern auf die Kollegin hier.«
    Andreas Mutter blickt sich suchend nach mir um.
    »Was ist passiert?«
    »Er hat versucht, mir damit ins Auge zu stechen.« Eheich mir dessen bewusst werde, packe ich den Bleistift, hebe ihn hoch und stoße ein paarmal in ihre Richtung.
    »Hat er Ihnen wehgetan?«
    Der Schmerz in der Brust setzt wieder ein. Es ist ein Beklemmungsgefühl, das bis zur Kehle hochkriecht, sie mir allmählich zudrückt.
    Ja, er hat mir wehgetan. Verflucht.
    »Entschuldige, aber warum?«, fragt De Lucia. Er hat es auf mich abgesehen. »Überleg mal, es ist sehr wichtig. Was hat diese Reaktion ausgelöst?«
    »Er hat ja schließlich auch auf mich eingeschlagen«, mischt Miranda sich ein.
    »Und das ist ganz verständlich«, kontert er, entzieht sich dann ihrem giftigen Blick und fixiert wieder mich. »Aber warum hat er das bei dir getan? Was ist passiert?«
    Andreas Mutter sieht mich an.
    »Andrea sollte entscheiden, ob ein Klassenkamerad ein gelbes oder weißes Sweatshirt anhatte. Es war aber schwarz.«
    »Du hast ihn angelogen«, sagt De Lucia.
    Im Zimmer wird Gemurmel laut. Man spricht über mich.
    »Herr Kollege, bitte.«
    Die Stimme der Schulleiterin versetzt mich zwanzig Jahre zurück. Wir haben Mathematikunterricht, und Giuliano lenkt den Rest der
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