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Der Leguan will das nicht: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Der Leguan will das nicht: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Titel: Der Leguan will das nicht: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)
Autoren: Giusi Marchetta
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tun?
    Nichts. Ich will nichts tun.
    Ein Schlag genügt, und der Karton hat keinen Boden mehr. Das Klebeband will sich um die Schere wickeln, um nicht abgerissen zu werden.
    Die Wohnungstür fällt ins Schloss, aber ich beschließe, nicht darauf zu achten: Ich bin sehr beschäftigt.
    »Kennst du jemanden in Pavia? Verwandte, Freunde, Bekannte?«
    Ich überlege. »Nein.«
    »Gut. Von jetzt an wird bei dieser Vorwahl nicht mehr abgenommen. Ist das klar?« Dann verschwindet sie in der Diele.
    Aus dem Karton ertönt ein schwaches Zischen, weshalb ich ihn eilends wieder schließe, unters Bett stoße und mich darüber zwischen den Decken verstecke. Nun zischt es auch aus dem Laptop. Beharrlich.
    Na schön, denke ich. Drucke.
    So findet mich Margherita mit dem noch warmen Blatt in den Händen, während ich die erste Zeile immer wieder lese.
    »Ich muss etwas erledigen. Willst du mitkommen?«
 
    Sie hat mir noch nicht gesagt, worum es geht, ich habe sie auch nicht danach gefragt. Schweigend sitzen wir einander gegenüber und scheinen genau das zu sein, was wir sind: zwei Fremde, die zufällig im selben Bus fahren.
    Ich spüre, wie sich das Blatt Papier mit Giannis E-Mail in meiner Manteltasche zusammenrollt. Ich stecke die Hand in die Tasche und ertaste es, falte es zusammen, damit es nicht zerreißt. Margherita hantiert am Gehäuse ihrer Kamera herum.
    Es kommt nicht auf die Dinge an, denke ich, sondern darauf, wie wir mit ihnen umgehen. Sie macht sich an der Nikon zu schaffen, als wäre sie ihr Kind: sorgfältig, aber mit einer Schnelligkeit in den Bewegungen, die wir gegenüber den Kindern anderer nicht an den Tag legen würden.
    »Ich hätte gern mehr Ahnung von Fotografie«, beginne ich, bloß um irgendetwas zu sagen. »Manchmal sagt ein Bild mehr als tausend Worte.«
    »Jim Morrison«, entgegnet sie.
    Ich verstehe nicht so recht.
    » Ein Bild sagt mehr als tausend Worte «, wiederholt sie. »Das war einer der Sätze, die man sich in der Mittelstufe ins Poesiealbum schrieb. Und immer waren sie von Jim Morrison.«
    Mein Lachen überrascht sie. Ich komme mir dämlich vor, es fühlt sich toll an.
 
    Wortlos folge ich ihr durch etliche immer gleiche Straßen. Vor dem x-ten Gründerzeithaus bleibt Margherita stehen und holt ihr Handy heraus. Kaum hat sie es ans Ohr gepresst, tritt auch schon ein junger Mann aus dem Tor und begrüßt sie.
    »Savarese hat mir gesagt, dass du kommst.«
    Ohne Zeit zu verlieren, führt er uns zur Rückseite des Gebäudes, zieht einen Schlüsselbund aus der Tasche und schließt eine der Garagen auf.
    »Es ist nicht uralt«, sagt er. »Mein Vater hat es vor einigen Jahren selbst noch gefahren.«
    Margherita lächelt, bis er das Licht einschaltet.
    »Was habe ich dir gesagt? Sieh dir den Sitz an, er ist ein wahres Wunderwerk.«
    Das Mofa ist in der Tat ein Schmuckstück auf Rädern: blitzblanke Karosserie, funktionierender Kippständer, hier und da ein Aufkleber mit einem Marvel-Helden.
    Margherita macht einen Schritt nach vorn, schlägt mit der Hand auf den Sitz.
    »Savarese hatte behauptet, es sei rot.«
    Er blickt überrascht drein.
    »Von mir hat er das aber nicht. Ich kann mich nicht erinnern, dass wir über die Farbe gesprochen haben.«
    Er wirft mir einen flehenden Blick zu. Ich kann ihm nicht helfen.
    »So aber nützt es mir gar nichts.« Margherita verlässt die Garage, und ich folge ihr auf den Fersen.
    »Man kann es ja neu lackieren.«
    »Nein, kann man nicht«, erwidert sie, ohne sich umzudrehen.
    »Auf einen Schwachkopf sollte man sich nie verlassen«, sagt sie nach einer Weile zu mir.
 
    Die Villa dei Pini ist ein großes Gebäude aus den sechziger Jahren. Treppe, Fassade und Dach sind ein einziger Alptraum in verschiedenen Grautönen.
    »Schreib einfach nur: Alles Gute zum Geburtstag. «
    Margherita hält das Paket so, dass die Glückwunschkarte darauf ruht.
    Ich schreibe. Dann verharre ich einen Moment mit dem Filzstift in der Hand.
    » Elisa «, ruft mir Margherita ins Gedächtnis. »Mach schon.«
    Ich tue, wie mir geheißen: Grußlos und ohne sonstige Zuneigungsbekundungen schreibe ich hastig Elisa darunter.
    »Perfekt. Warte hier auf mich.«
    Blitzartig verschwinden Paket und Glückwunschkarte mit ihr im Innern des Gebäudes. Ich habe mich soeben für eine dreißigjährige Ehefrau und Mutter ausgegeben, welche vor mehr als zehn Jahren mit wenigen Altersgenossinnen die schwierige Aufgabe teilte, die einzigen Mädchen in einer Jungsklasse zu sein. Elisa war weder die Hübscheste
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