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Der Leguan will das nicht: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Der Leguan will das nicht: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Titel: Der Leguan will das nicht: Roman (insel taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giusi Marchetta
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wurde.
    »Reite, wohin du willst«, sagte Gaglio. »Du bist frei.«
 
    Beim ersten Klingeln des Handys springt Savarese vom Stuhl hoch. Wir werden ihn nicht wiedersehen, das weiß ich.
    »Lehrerin also«, sagt Livio. Seine Stimme ist leise, verliert sich zwischen all den anderen, und ich habe Mühe, sie aus dem Gewirr herauszuhören, zu entschlüsseln, was er von mir will.
    Er redet und glaubt, dass ich zuhöre, nur weil ich den Kopf im Rhythmus seiner Lippen bewege. Savarese ist hinten bei Margherita, ist in Sicherheit.
    »Meine Ex hat Kunst unterrichtet. Bei den Salesianern.«
    Er spricht nicht weiter. Jetzt bin ich dran.
    »Die Salesianer können einem ganz schön auf den Sack gehen.« Ich bin es, die das sagt, weil er es bestimmt nichtgesagt hat. Ich entsinne mich, dass die Salesianer Priester sind. Kirche. Gott.
    »Entschuldige«, stelle ich richtig, »aber die privaten Schulen nerven mich wirklich.«
    Livio hat im Moment zwei Köpfe und schüttelt sie alle beide. Ich trinke, um zumindest einen davon zu löschen.
    »Die Schule ist öffentlich, bekenntnisneutral, selbstständig …«
    Ich versuche mich zu erinnern und schaffe es nicht. Wie war die Schule noch gleich?
    Er schaut mich an, als wäre ich auf Kanal 5, um von meiner Vergewaltigung zu erzählen.
    »Ist nicht wichtig«, sage ich.
    Unabhängig , flüstert mir Biagini ein, aber ich höre nicht auf ihn.
    Eine Stimme am Ende der Tafelrunde versucht, zu mir durchzudringen.
    »Also bist du deshalb nach Turin gezogen? Wegen der Schule?«
    Weswegen sonst?, denke ich. Warum sollte jemand sonst nach Turin ziehen?
    »Eigentlich habe ich mich nur an die Tradition gehalten: weggehen, um zu arbeiten.«
    Livio lächelt mir gegenüber und verschränkt die Arme.
    »Sag bloß. Mit dem berühmten Koffer aus Pappe?«
    »Und der Schnur«, entgegne ich. »Kilometerweise Schnur. Es war ein sehr großer Koffer.«
    Er lacht.
    »Groß genug für die Hühner, den Schinken, den Mozzarella.«
    Ich nicke mit dem Kopf.
    »Und den wattierten Mantel. Der nimmt eine Menge Platz weg.«
    »Klar«, pflichtet er mir bei. »Ich hoffe, du hast den Kalpak nicht vergessen.«
    »Du machst wohl Witze. Wir sind zwei Schritte von Russland entfernt: Der Kalpak ist unverzichtbar.«
    Die anderen sind nun mucksmäuschenstill, um uns zuzuhören.
    »Kalpak? Darf man wissen, wovon ihr redet?«
    »Von einer Invasion«, antwortet Livio, bevor ich antworten kann.
    »Angefangen haben die Piemonteser, wenn ich mich nicht irre«, bemerke ich. Alle außer ihm lachen.
    »Und ihr tut uns den Gefallen nun schon seit einhundertfünfzig Jahren. Seit der Einheit ist der Norden ein wahres Eroberungsgebiet.« Er überlässt es mir, seinen ernsten Tonfall zu deuten, den Blick, der mit erhobener Augenbraue über meiner Schulter in der Luft hängt, wie um mich aufzufordern, nun antworte doch.
    »In meiner Examensarbeit ging es um die neuen Migrationsströme.«
    Das sagt Tina. Oder Angela. Oder die andere, wer weiß.
    »Mit den letzten EU -Beitritten ist es zu einer beängstigenden Einwanderung von Leuten aus dem Osten gekommen. Sogar Turin ist nicht mehr das, was es vor zehn Jahren war. Es hat sich verändert. Es ist multikulturell.« Sie ist überzeugt, etwas gesagt zu haben, was mich betrifft. Und was mich rechtfertigt.
    »Diese Immigranten interessieren uns nicht«, tut Liviosie ab. »Gefährlich sind die Landräuber aus dem Süden: Sie haben es auf unsere Arbeitsplätze abgesehen.«
    »Und auf eure Frauen?«, kichere ich hämisch. Ich stelle mir eine Invasion von Totò und Peppino vor. Das waren nicht nur zwei: Sie bildeten nur die Vorhut.
    Livio lehnt sich zurück. Er umfasst sein Glas mit beiden Händen, als wäre es der Hals einer Person.
    »Welche Aussicht hat denn ein gebildeter Immigrant, in Italien einen Job zu finden, der seiner Ausbildung entspricht? Kaum eine. Keine.«
    Er schüttelt den Kopf: Er hat Recht, es ist schrecklich.
    »Und dann nimm einen aus dem Süden, der einen Hochschulabschluss oder irgendeine Qualifikation hat und nach Turin geht. Egal, wie ignorant oder unfähig er ist, er wird an eine Schule kommen oder einen Posten in der Wirtschaft finden und somit de facto diejenigen bescheißen, die hier schon ihr Leben lang arbeiten.«
    »Natürlich ohne irgendeine Qualifikation«, sage ich.
    Livio hört gar nicht zu.
    »Es kann so nicht weitergehen: Wir müssen uns wehren.« Er hebt beschwichtigend die Hand in meine Richtung.
    »Sei jetzt bloß nicht beleidigt. Ich rede ja nicht von dir, aber hier

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