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Der Leguan will das nicht: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Der Leguan will das nicht: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Titel: Der Leguan will das nicht: Roman (insel taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giusi Marchetta
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kommen die unfähigsten Leute an. Wir wissen alle, wie es bei euch zugeht.«
    Er macht eine ausladende Handbewegung, die mich und alle Leute, die ich kenne und liebe, einschließt.
    »Glaub mir, man muss schon ein gewisses Niveau erreichen, um als zivilisiert zu gelten. Und der Süden erreicht das sicher nicht.«
    Er hält sich die flache Hand an die Gurgel und lässt sie dort schweben, sodass ich darauf starren muss. Ohne es zu wissen, deutet er damit eigentlich den Wasserstand an. Unter seiner Hand ertrinken meine Eltern, mein Bruder, Gianni, Anna, alle, die südlich der Poebene geboren wurden und aufgewachsen sind. In dem Land, das die Römer Italien nannten.
    »Ich nehme zurück, was ich an Weihnachten gesagt habe«, flüstert mir Massimiliano zu, indem er sich vom Nebentisch herüberbeugt. »Wir sind anthropologisch verschieden. Du hättest dich nie über Rom hinauswagen sollen: Im Norden bist du zur Einsamkeit verurteilt.«
    »Nicht alle sind so«, erwidere ich mit gesenkter Stimme, damit Livio und auch sonst niemand mich hört.
    »Wer nicht, dieser Savarese etwa? Willst du mich auf den Arm nehmen?«
    Ich schweige, weil es ja nur meine Vorstellung ist. Und außerdem sitzt er, neunhundert Kilometer entfernt, vor einer Live-Übertragung des Spiels von SC Neapel: Ich muss ihm wirklich nicht antworten.
    »Ok, lass mich das verstehen: Wie kommt es, dass wir beide nie miteinander gevögelt haben, wohingegen du es dir mit dem da vorstellen könntest?«
    »Sei still.«
    Es ist typisch für Massimiliano, Dinge durcheinanderzubringen, die nichts miteinander zu tun haben, vor allem, wenn ich es bin, die ihn zum Reden bringt.
    Ich reibe mir die Augen. Sie sind geschminkt. Macht nichts.
    Livio lacht über etwas, das sie zu ihm gesagt haben, dann zwinkert er einem der Mädchen zu.
    »Wir sollten die da bei lebendigem Leibe verspeisen«, sagt Massimiliano. Jetzt würde ich ihn gern umarmen. Zu wissen, was er sagen würde, genügt nicht: Mir fehlt der Körperkontakt.
    »Was ist los? Bist du jetzt beleidigt?«
    Ich spüre Livios Hand auf der meinen, ein leichtes Streicheln, bevor sie sich zurückzieht.
    Warum ist dieser Stuhl leer? Wo ist Gianni hingegangen?«
    »Ich habe nachgedacht«, sage ich.
    »Worüber?« Während er auf eine Antwort wartet, führt er sein Glas zum Mund, trinkt, ohne zu ertrinken.
    »Öffentlich, bekenntnisneutral, unabhängig, kostenlos und gewaltfrei«, rezitiere ich. »Ansonsten ist es keine Schule.« Ich lächle: Noch habe ich es nicht vergessen.
    »Habt ihr mich vermisst?« Savarese nimmt sich Giannis Stuhl. Es ist so ungerecht.
 
    Der Fahrer stand unter einem Baum, rauchte eine Zigarette. Gegen die Motorhaube gelehnt, wandte Grazia in enger Winterjacke dem Kleinbus den Rücken zu.
    »Er will nicht aussteigen«, sagte sie einfach nur, als sie mich sah. Sie kam mir blasser vor als sonst, statt der Stirnfalte zogen sich viele kleine Krähenfüße um ihre Augen.
    »Geht's dir gut?«
    Sie gab mir keine Antwort.
    Ich suchte in der Tasche nach dem Buch. Jetzt schleppe ich es ständig mit mir herum.
    »Andrea.« Ich hielt ihm die Odyssee an die Fensterscheibe. Das stürmische Meer bedroht das Schiff des Odysseus: Die Männer an Bord rufen zur Insel hinüber, die zu erreichen ein Gott sie hindert, sie sind verflucht; Odysseus schickt sich an zu schwimmen.
    Riccardi wollte nach dem Buch greifen, trommelte mit den Händen gegen die Scheibe, ließ sie dann sinken.
    Ich trat einen Schritt zurück.
    »Nein, mein Lieber, du musst schon aussteigen.«
    Er brüllte, öffnete die Wagentür und kam heraus, um mir das Buch aus der Hand zu reißen. Er suchte eine bestimmte Seite, fand sie, hielt sie mir unter die Augen.
    »Polyphem, ja. Das ist er.«
    »Er ist ein Riese, oder?«
    »Ein Zyklop.«
    Andrea blätterte weiter, dann wieder zurück, aus Lust daran, ihn vor der Grotte auftauchen zu sehen.
    »Ein Zyklop.«
    Als er fertig war, nahm ich ihm das Buch wieder ab.
    »Gehen wir, komm. Hier in der Nähe gibt es riesige Pferde, die du sehen musst.«
    »Riesen?«
    Alles fing an, außer Rand und Band zu geraten: die Arme, die Schultern, der Kopf.
    »Lauf.«
    Wir gingen durch den Matsch der Reitbahn. Nach einer Weile kam Grazia uns nach.
 
    »Du bist betrunken«, sagt Savarese. »Das wurde aber auch Zeit.«
    In meinem Glas ist noch etwas Cola. Der Rum hingegen, scheint mir, hat sich verflüchtigt.
    »Das stimmt nicht.«
    »Na warte, das haben wir gleich.«
    Er hebt die Hand, um Mauro zu rufen, ich sehe mich gezwungen,

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