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Der Letzte Askanier

Der Letzte Askanier

Titel: Der Letzte Askanier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky
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schätzte, also in Spandau, Frankfurt und in den Gebieten jenseits der Oder, in Bärwalde, Bentschen oder Dramburg beispielsweise. Meinhard versuchte, sich in die Lage des Pilgers zu versetzen und die Welt mit dessen Augen zu sehen. Herumstreunende Mönche, Heilige mit irrem Sinn und gottverlassene Landstreicher gab es in diesen wirren Zeiten viel zu viele, als daß sie irgendwo auf Obdach und täglich Brot hoffen konnten. Wer überleben wollte, mußte schon von ganz besonderer Klugheit sein. So gesehen war die Waldemar-Idee genial. Denn im Spiel um die Macht in Brandenburg wurde ja gerade so ein Waldemar gebraucht, den man augenzwinkernd auf das Schachbrett stellen konnte, um Front zu machen gegen Wittelsbach. Und wo saßen diese Herren, die sich der Geschichte vom wiedererstandenen Waldemar bedienen konnten? Entweder in Prag bei Karl IV. oder aber in Magdeburg, wo Erzbischof Otto seine Ränke schmiedete, vielleicht auch in Dessau, wo die Anhaltiner sich als Nachfolger der Askanier sahen. Meinhard überlegte. Kam der Alte wirklich aus Jerusalem, konnte er über Prag gewandert sein – und wenn sie ihn dort entsprechend instruiert hatten, zog er jetzt womöglich nach Chorin, um sich dort auf seine Grabstelle zu stellen und den Leuten zu erzählen, daß ein falscher Mann in seinem Grabe läge und er aus dem Morgenland zurückgekommen sei, um sein Land zu retten.
    War er indessen kein Handlanger des Luxemburgers, sondern von sich aus auf die Idee mit dem falschen Waldemar gekommen, so lag es nahe, daß er sich nach Magdeburg begab, wo er am ehesten auf Unterstützung durch den Erzbischof hoffen konnte. Chorin lag im Norden, Magdeburg aber im Westen – Meinhard seufzte. Wie sich entscheiden? Er überlegte lange hin und her, ohne zu einem Entschluß zu kommen. Also legte er sein Schicksal in Gottes Hand, indem er das Schwert auf einen Findling legte und in Drehung versetzte. Die Spitze zeigte nach Norden, nach Chorin. Aber auch Berlin, und das hieß: Leah. Nun gab es keinen Zweifel mehr. Er schwang sich aufs Pferd und ritt los.
    Gegen Mittag kam er auf eine Straße, offenbar die, die Belzig mit Lehnin verband, und fand nach anderthalb Meilen eine Schenke, die ihn recht einladend dünkte. Ein Tannenreis hing über der Tür, und auf dem Sims stand ein großer Krug. Doch als er vom Pferd gestiegen war und in der Stube stand, war ihm der Hunger schnell vergangen, denn alles starrte vor Schmutz, und ein kotverkrustetes Schwein lief quiekend auf den Hof hinaus. Auch der Wirt fühlte sich in seiner heiligen Ruhe gestört. Sein brauner Kittel sah fast so aus, als hätte er sich in derselben Suhle gewälzt wie das Schwein.
    »Einen Becher Roten«, befahl Meinhard trotz allem, denn wenn er etwas über Waldemar in Erfahrung bringen wollte, mußte er Unannehmlichkeiten in Kauf nehmen.
    »Sehr wohl, edler Herr.« Der Wirt verschwand in den hinteren Räumen, und Meinhard hörte ihn dort tuscheln. Ihm war es egal. Der Mann hatte Frauen, Kinder, Mägde und Knechte.
    Als der Wein dann kam, erwies er sich als furchtbar sauer. Auch war der Becher seit langem nicht gesäubert worden. Aber Meinhard ließ sich nichts anmerken, weil er den Wirt bei Laune halten mußte.
    »Ich suche einen alten Freund, einen Pilger aus Jerusalem … Ist er zufällig bei Euch in der Schenke gewesen?«
    »Nein, gewißlich nicht.«
    Meinhard zeigte sich enttäuscht. »Schade … Die Leute sagen, daß das der Markgraf sein soll, der alte Waldemar.«
    Da kam Leben in den Mann, der eben noch stumpf vor sich hin gestarrt hatte. »Das mag wohl angehen, denn er lebt, lebt so wie Ihr und ich. Er selbst, leibhaftig. Das ist keine Mär.«
    »Und wo?«
    »Im Walde – bei den Freien.«
    »Die Buschräuber meinst du?«
    »So nennt man sie.«
    Meinhard konnte es nicht fassen. »Und bei denen soll der leben? Er, den sie den letzten Askanier nennen?«
    »Ja, von Stund an, wo er starb, hat er sich versteckt in der Heide.«
    »Und wo kann ich ihn finden?« Meinhard stand auf.
    Der Wirt öffnete die Tür, um ihm den Weg zu zeigen. »Da, nach Schloß Saarmund zu. Durch den Wald dort vorn führt ein schmaler Weg. Dem müßt Ihr folgen, bis Ihr einen kleinen Fluß erreicht, die Nuthe. Dort hat man ihn zuletzt gesehen.«
    Meinhard warf eine Münze auf den Tisch, bedankte sich und schwang sich wieder aufs Pferd. Nach ein paar Minuten hatte er den Pfad gefunden, den ihm der Wirt bezeichnet hatte.
    Gedankenverloren ritt er Saarmund entgegen. Wenn er Glück hatte, konnte er morgen

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