Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Letzte Askanier

Der Letzte Askanier

Titel: Der Letzte Askanier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky
Vom Netzwerk:
trafen sich.
    »Wohlan denn, Bruder!« rief er Meinhard zu.
    »Ich werde immer an dich denken!«
    Guntzo grinste. »Das kannst du in der Hölle tun. Ich geh' dir nur einen knappen Schritt voraus!«
    Da fuhren die Henkersknechte dazwischen: »Halt's Maul! Jetzt geht's dir an den Kragen!«
    Und direkt vor Meinhards Augen hob der Henker die Keule, um Guntzos Knochen zu zerschlagen. Seine Knechte halfen ihm dabei.
    Meinhard betete leise den 69. Psalm. »Gott, hilf mir; denn das Wasser geht mir bis an die Seele. Ich muß bezahlen, was ich nicht geraubt habe. Errette mich aus dem Kot, daß ich nicht versinke; daß ich errettet werde von meinen Hassern und aus dem tiefen Wasser … Erhöre mich, Herr, denn deine Güte ist tröstlich, wende dich zu mir nach deiner großen Barmherzigkeit und verbirg dein Angesicht nicht vor deinem Knechte, denn mir ist angst; erhöre mich eilend.«
    Guntzos Leib war nur noch ein blutiger Klumpen. Er blieb aufs Rad geflochten und wurde zur allgemeinen Abschreckung an die Rathauswand gelehnt. Einen Adligen, fünf Patriziersöhne und etliche Knechte hatte er ins Jenseits geschickt, bevor sie ihn gerichtet hatten …
    Nun war Meinhard an der Reihe. Er dachte an seine Eltern und an seine Jahre in Siena und Jerusalem, und er sah Ludwig, wie er mit ihm auf der Suche nach drallen Weibern durch die Gassen schlich. Dann fiel ihm ganz Simples ein: Daß es nach dem Tode eh gleichgültig war, wie alt man geworden war. Und es schien ihm, als wandelte er schon eine Ewigkeit auf Erden, als hätte er bereits Jesus in Bethlehem persönlich getroffen. Was ihm noch fehlte, war die Zeit mit Leah. Die wurde ihm gestohlen, ebenso wie man ihm mit Guntzo den einzigen echten Freund genommen hatte.
    Er taumelte zum Rad, ohne wahrzunehmen, was um ihn herum geschah. »Ich rufe von ganzem Herzen; erhöre mich, Herr … Siehe mein Elend und errette mich … Führe meine Sache und erlöse mich!« betete er.
    Doch die Spandauer fuhren unbeeindruckt fort in ihrem Tun.
    »Nun der andere!« rief der Bürgermeister, und die Menge auf dem Markt tobte wie verrückt, als Meinhard nun um sein Leben zu kämpfen begann und sich nicht auch noch an den Beinen fesseln lassen wollte. Die zusammengebundenen Hände wirbelten herum wie ein Mühlrad im Sturm und fällten nacheinander die herbeieilenden Knechte. Als die dann mit Spießen auf ihn losgingen, warf er sich ihnen todesmutig entgegen, um im Kampfe zu sterben wie ein echter Ritter. Doch es waren ihrer zu viele. Mit ihrer Masse drückten sie ihn schließlich zu Boden, machten ihn wehrlos und flochten ihn aufs Rad.
    Jetzt war alles aus. Seine Glieder erschlafften, und die Nabe des Rades bohrte sich in seinen Rücken. Dennoch kam eine tiefe Ruhe über ihn. Nur noch ein letzter Schmerz wie ein heftiger Blitz, dann war er erlöst von allem. »Dein Wille geschehe, im Himmel wie auf Erden!«
    Er schloß die Augen und erwartete die tödlichen Hiebe.
    Doch sie kamen nicht. Denn durch die Menge sprengten zwei Männer und ritten alles nieder, was nicht weichen wollte.
    »Seid ihr des Wahnsinns, Schluß mit der Posse!« schrie der eine der Reiter.
    Sofort ließ der Henker die Keule sinken, denn der eilige Ritter war niemand anders als Friedrich von Lochen, der Statthalter Ludwigs in der Mark, und an seiner Seite ritt Betkin von Ost, ein wahrhaft grimmiger Kämpe, der nicht mit sich spaßen ließ. »Bindet ihn los, ihr Narren!« befahl er und stieß Bürgermeister wie Henker zur Seite. »Das ist Ludwigs bester Freund!«
    Berlin und Cölln, die Doppelstadt in der breiten Niederung der Spree zwischen den Plateaus Teltow und Barnim, hatte Mitte des 14. Jahrhunderts endgültig eine Vormachtstellung unter den märkischen Städten errungen. Begonnen hatte es damit bereits 1280, als hierher der erste märkische Landtag einberufen wurde. Der Fernhandel nach Hamburg und weiter nach Flandern und Holland hatte einiges an Geld gebracht, und die Patrizier gingen daran, ihre alten Fachwerkhäuser abzureißen und durch steinerne Bauten zu ersetzen. Die Ratsmänner kamen aus einer kleinen, aber reichen Oberschicht, in der Tuchhändler und andere Großkaufleute dominierten. Die Geschlechter der Rathenows, Buchs und Brügges stellten die Gerichtsherren und die Bürgermeister. So gut ging es den Patriziern, daß der Rat 1334 eine Verordnung erlassen mußte, die sich gegen allzu großen Luxus bei der Kleidung und bei Festlichkeiten richtete. Auch die Handwerker hatten keinen Grund zum Klagen. Mit einem

Weitere Kostenlose Bücher