Der Letzte Askanier
Magd geschickt hatte, war ein wunderbarer Freundesdienst gewesen. Damit war er auch als Mann wiederauferstanden. Das stand ihm wohl an, einem Fürsten, der in eiserner Rüstung hoch zu Rosse saß und sein Land eroberte. Markgraf Jakob I. von Brandenburg. So fühlte er sich, und wie im Traume hörte er die Leute jauchzen.
Da waren aber wirklich Stimmen in der Ferne, und als er näher kam, erkannte er die Bürger Gransees, die vor ihren Toren standen, dicht am ersten Wartturm, um ihm zuzujubeln.
»Hoch lebe Markgraf Waldemar!«
Einer schrie sogar: »Heil dem Lande, dessen Fürst da wiederkehrt!«
Henning von Nienkerken rülpste hörbar. »Schöne Heuchler sind das hier.«
Rehbock sah ihn böse an. »Du gönnst es mir nicht, wie?«
»Sie schreien's doch nur, um dir nachher alle Rechte abzuhandeln, die du hier noch hast.«
»Schweig!« Rehbock hatte das Gefühl, daß Henning von Nienkerken zuviel von ihm wußte, und seine innere Stimme warnte ihn. Dazu noch das mit der Magd vorhin. Ein ungewisses Gefühl stieg in ihm hoch: Vielleicht war der Mann von Ludwig geschickt, um ihn auszuhorchen und womöglich zu vergiften, wenn er dem Wittelsbacher zu gefährlich wurde. Er hatte ihn ja in Brietzen einfach angesprochen und gefragt, ob es denn stimme, was die Bauern ringsum im Fläming flüsterten, daß er der Markgraf Waldemar sei.
Er konnte es nicht weiter bedenken, denn jetzt bliesen vor ihm die Trompeter aus Gransee, und die Pauker schlugen auf. Hüte und Mützen wurden in die Luft geworfen.
»Waldemar, hoch lebe Waldemar!«
Wie Lerchengesang stieg der Name in den blauen Himmel hinauf. Aber während das Volk nicht müde wurde, seinen Namen zu rufen, hatten die Herren des Rates finstere Mienen aufgesetzt.
Rehbock wußte, daß es schwer werden würde, sie zu gewinnen. »Willkommen, ihr lieben Bürger von Gransee«, begann er honigsüß. »Ich danke euch, die ihr mir so weit entgegeneilt.«
Die Ratsmannen verneigten sich zwar und hielten die Barette ehrfürchtig in den Händen, wollten aber keine Silbe sprechen.
Rehbock wußte nicht recht weiter und blickte wieder hilfesuchend zu Henning von Nienkerken hinüber, aber der machte nur eine Handbewegung, die bedeutete: Laß sie ruhig eine Weile schmoren.
Schließlich aber verlor einer die Geduld: Kurt von Alvensleben, der Kanzler des Magdeburger Erzbischofs. Er preschte nach vorn und schnauzte die Ratsmannen an: »Habt ihr bei Ludwig verlernt, wie man mit seinem Landesherren spricht!?«
Alle duckten sich, nur einer, der jüngste, trat vor. »Ich bin der Ratsmann Eitelberger, und haltet zu Gnaden, Ihr Herr, wer immer Ihr auch seid, aber über diese Mark Brandenburg ist ein Markgraf von König und Reich schon lange gesetzt. Der heißt Herr Ludwig von Bayern und ist seit vierundzwanzig Jahren unser rechter Landesherr und keiner sonst. Und seine Landreiter waren hier und haben uns wissen lassen, daß einer ins Land kommen wird, der sich Waldemar nennt und vorgibt, jener Markgraf zu sein, der vor vielen Jahren zu seinen Vätern ging. Aber diese Mär, die glauben wir nicht, weil: Wir wollen unsere Rechte nicht gefährden. Das befinden die Ratsmannen von Gransee nach gutem Beschluß.«
Was hätte wohl der rechte Waldemar gemacht, wenn er an meiner Stelle wäre, hörte Rehbock sich fragen. Du bist doch Waldemar! In seinem Troß rumorte es schon, und es waren etliche unter seinen Herren, Rittern und Soldaten, welche die Granseer liebend gerne niedergeritten und in Klump gehauen hätten. Doch das haßte er, und vor allem hätte es ihm Elisabeth nie verzeihen können. Um die Kränkung wettzumachen, die er ihr mit der willigen Magd zugefügt hatte, gab er sich nun besonders milde.
»Gemach, ihr Freunde«, sprach er, nachdem er sein Pferd gewendet hatte, zu den Seinen. »Die Sache, die wir führen, erheischet keinen Jähzorn, sondern Geduld. Komme ich doch nicht als Eroberer in dieses Land, sondern vielmehr wie ein Vater zu seinen Kindern.« Richtig stolz war er, daß ihm dies eingefallen war. Und fast triumphierend ging sein Blick zu Henning von Nienkerken hinüber: Siehe da, es geht auch ohne dich! »Einen Vater aber«, fuhr er fort, »den die Kinder lange Zeit nicht sahen, den fürchten sie wohl, und es dauert eine Weile, bis sie begreifen, daß er nur ihr Gutes will.« Damit wandte er sich an den Ratsherrn, der ihm so dreist entgegengetreten war. »Wie alt bist du?«
Der Ratsmann Eitelberger wurde nun ein wenig rot. »Zu Weihnachten sind es dreißig Jahre.«
»Seht ihr:
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