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Der letzte Aufguss

Der letzte Aufguss

Titel: Der letzte Aufguss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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vielleicht war diese Frau getäuscht
worden, ohne es zu merken. Er wollte ihr keine Schmerzen bereiten, wollte die
Illusion dieser besonderen Liebe nicht zerstören, er musste aber wissen, ob sie
nur dank eines uralten Tees zustandegekommen war.
    Â»Haben Sie öfters mit Jonathan Pu-Erh-Tee getrunken?«
    Dame Julia Wenbosca blickte ihn überrascht an und stellte ihre
Teeschale ab. »Pu-Erh-Tee? Habe ich noch nie mit ihm getrunken.«
    Bietigheim sah ihr lange und tief in die Augen, als könnte er dort
die Wahrheit erkennen, wie einige Wahrsager die Zukunft am Grund einer
Kaffeetasse.
    Â»Und Jonathan selbst?«
    Â»Nie wenn wir zusammen waren. Und wohl auch sonst nicht. Er konnte
ihn nicht leiden. Wieso fragen Sie?«
    Das alles hieß überhaupt nichts. Jonathan hätte ihn ihr in anderer
Form, zum Beispiel als Beimischung in Gebäck, verabreichen können, ohne dass
sie es merkte.
    Dame Julia Wenbosca bereitete den nächsten Aufguss vor. Wieder in
aller Ruhe und Bedächtigkeit, als hätte sie das Geständnis kein bisschen aus
dem Takt gebracht. »Ich erinnere mich nur, dass mein Mann einmal ein längeres
Gespräch mit Jonathan über Pu-Erh-Tee geführt hat, denn Godehard empfindet eine
große Leidenschaft für diesen Tee. Er fragte nach einigen sehr seltenen Fladen
und ging davon aus, dass Jonathan sie ihm besorgen könne. Mein Mann war bereit,
viel Geld zu zahlen.« Sie schüttelte amüsiert den Kopf. »Männer und ihre
Hobbys. Dabei bleiben sie immer Kinder. Und das ist auch gut so.« Sie griff
eine Packung Nelkenzigaretten aus ihrer Tasche und steckte sich eine an. »Sie
wirken mir allerdings nicht so, als hätten Sie Hobbys. Außer dieser
Mördersuche, aber das ist, zumindest in meinen Augen, mehr Ernst als Spiel.«
    Bietigheim erhob sich. Es gab noch viel vorzubereiten. Und er hatte
das erfahren, weswegen er gekommen war. Aus der Innentasche seines
Schottenkarosakkos zog er einen Umschlag aus Büttenpapier und reichte ihn Dame
Julia Wenbosca mit huldvoller Geste. »Eine handgeschriebene Einladung zu einem
Pub-Quiz. Wenn Sie wissen möchten, wer Jonathan und den Earl wirklich ermordet
hat, sollten Sie kommen. Und bringen Sie unbedingt Ihren Mann mit. Es ist
wichtig.«
    Am nächsten Morgen stand Bietigheim früh auf, denn er wurde von
Charles geweckt, der mit dem Schnabel gegen das Boot hämmerte, als wollte er es
zum Sinken bringen.
    Wie schön, dass der Schwan ihn nicht vergessen hatte, fand der
Professor. Aber wenn dieser ihn noch einmal so aus den Träumen riss, würde er
wirklich im Kochtopf landen.
    Pit und Rena schliefen noch. Einer der beiden zersägte gerade den
kompletten Nottingham Forest. Pit war es nicht. Er schmatzte nur. Vermutlich
träumte er von einem saftigen Spießbraten.
    Der Professor kleidete sich an, nahm Benno an die Leine und verließ
auf leisen Sohlen die »God Save The Queen«. Die Stadt war bereits geschäftig.
Studenten auf Fahrrädern, Händler, die ihre Läden öffneten, Jogger und Ruderer.
    Der Professor wollte ins Institut für Kulinaristik in die Mill Lane,
wo Töler residierte.
    Noch.
    Vor der Tür des Gebäudes ließ Bietigheim seinen Hund von der Leine.
Er würde ihm jetzt mit strenger Stimme befehlen, brav zu sein. Im festen
Vertrauen, dass er sich kein bisschen daran halten würde.
    Die Tür zum Institut war noch nicht ganz geöffnet, da sagte er
bereits: »Benno, bei Fuß! Brav!«
    Doch Benno hielt sich daran. Er stellte sich ganz brav an
Bietigheims Seite.
    Dieser Hund wurde immer unberechenbarer! Oder dickköpfiger.
Sicherlich auch klüger. Bald wäre er in der Lage, das Institut zu leiten.
Besser als Töler könnte er es allemal. Und genau der stand nun vor ihnen im
Flur. In all seiner angeberischen, nach Minze stinkenden Mickrigkeit.
    Â»â€ºGuten Tag, Herr Kollege< kann ich ja leider nicht mehr
sagen, Sie haben schließlich keinen Lehrauftrag mehr. Trotzdem: Herzlich
willkommen in meinem Institut, wo nun endlich alles nach Plan läuft.« Er legte
ein Raubtierlächeln auf. Auch Haie beherrschten dieses. Nur nicht so gut. »Es
steht Ihnen selbstverständlich frei, mein Institut zu besuchen, weil Sie den
Anschluss an den Stand der Wissenschaft nicht völlig verlieren möchten. Jedoch
wird das nur dann möglich sein, wenn wir nicht anderweitig beschäftigt sind.
Heute müssen wir aber einige

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