Der letzte Aufguss
Unterlagen meines unfähigen Vorgängers in den Müll
befördern, da passt es gerade gar nicht. Auch das Toilettenpapier muss noch
nachgefüllt werden, da stehen Sie natürlich hintan.«
In diesem Moment passierte etwas Unerwartetes: Asha Ghalib kam auf
Bietigheim zu â mit einer Tasse Masala Chai. »Wir sind so froh, Sie wieder hier
zu haben, Professor Dr. Dr. Bietigheim! Sie wurden sehr vermisst. Es weht
gleich ein anderer Wind, seit Sie zur Tür hereingekommen sind.«
Töler stellte sich vor sie und lächelte so von oben herab, als
stünde er auf dem höchsten Dach des Westminster Palace. Doch das Wort richtete
er an Bietigheim. »Mit dem FuÃvolk konnten Sie immer schon gut, das
Bildungsproletariat steckt Ihnen ja in den Knochen. Wie charmant, dass Sie zu
Ihren Wurzeln stehen. Mir liegt dagegen der Geâdankenaustausch mit der
Intelligenzia im Blut. Ich liebe es, mit Kollegen zu philosophieren und die
Studenten zu inspirieren. Sie glauben ja nicht, welch glühende Hymnen die
jungen Leute auf mich anstimmen!«
In diesem Moment tauchte Colin auf und schüttelte Bietigheim
herzlich die Hand. »Herr Professor, hat die Universität diese elende Charade
endlich beendet? Die Studenten fragen mich ständig, wann ihr Prof endlich
zurückkommt. Wussten Sie eigentlich, wie beliebt Sie sind?«
Nun war es an Bietigheim zu lächeln.
Töler konnte bei Weitem nicht alle Vorlesungen und Seminare des
Instituts selbst abhalten, schlieÃlich hatte er noch anderweitige
Verpflichtungen an der Universität. Er brauchte Colin â egal, wie sehr er ihn
vorher durch den Dreck gezogen hatte. Und wie man hörte, schlug sich Colin
ausgesprochen gut.
Tölers Ton wurde harscher. »Was wollen Sie überhaupt hier?«
»Ich muss nur kurz einige Unterlagen durchsehen. Sie müssen nicht
zugegen sein, ich werde Ihnen nichts von Ihrer wertvollen Zeit stehlen.«
»Natürlich muss ich zugegen sein!«, echauffierte sich Töler. »SchlieÃlich
bin ich der Leiter dieses Instituts und kann nicht einen ⦠Zivilisten wie Sie
einfach in universitären Unterlagen herumstöbern lassen. Sie könnten etwas
entwenden oder beschmutzen. Und da ich hier die Verantwortung trage, darf ich
dieses Risiko nicht eingehen. Es tut mir leid, aber es ist absolut unmöglich,
Ihrer Bitte nachzukommen. Ich darf mich jetzt entschuldigen, meine wertvolle
Zeit erlaubt einfach kein Gespräch mit jemandem, der nicht zum
Universitätsbetrieb gehört.«
Töler machte auf dem Absatz kehrt. Gespräch beendet.
Enttäuschung machte sich in Bietigheim breit. Der Master hatte also
noch keines der Räder in Bewegung gesetzt, die ihm seinen Posten wiedergeben
würden. Enttäuschung führte bei ihm nie dazu, dass er auf irgendwelche Ideen
kam, am allerwenigsten auf geniale Geistesblitze. Enttäuschung entleerte nur
seinen Akku.
Da erklang eine Stimme, die ihm im Nachhinein wie die eines Engels
vorkam.
»Herr Töler!« Bietigheim genoss es, dass Asha Ghalib den
akademischen Titel seines Widersachers unter den Tisch fallen lieÃ. »Der Master
des St Johnʼs College will Sie sprechen. Als er hörte, dass Professor Dr. Dr. Bietigheim
hier ist, hat er darum gebeten, dass Sie ihn auf dem Flur treffen, wo Sie sich
ungestört unterhalten können.«
»Was für ein kluger Mann!« Töler ging hinaus.
Kaum war die Tür hinter ihm ins Schloss gefallen, drehte Asha Ghalib
den Schlüssel um. »Nun haben wir unsere Ruhe. Und Sie können sich anschauen,
was immer Sie möchten.«
Es dauerte nicht lange, bis es an der Tür zu klopfen begann, immer
lauter. Dann brüllte Töler von drauÃen: »Gleich komm ich rein!«
Bietigheim sah Colin an. »Hat Töler denn keinen Schlüssel?«
Dieser wies auf eine Jacke an der Garderobe. »Steckt da drin.«
Tölers wütende Stimme war wieder zu hören. »Ich werde den
Hausmeister holen, und wenn ich gleich drinnen bin, dann können Sie was
erleben, Bietigheim! Die Sicherheitskräfte der Universität werde ich auch
verständigen. Und die Polizei!«
»Vergessen Sie bitte nicht die Feuerwehr und den Notarzt!« rief
Bietigheim hinaus. Dann wandte er sich leise an Asha Ghalib. »Kann er irgendwie
hier hereinkommen?«
»Nicht so schnell. Der Hausmeister ist um diese Uhrzeit immer in
seinem Pub. Und niemand sonst auÃer uns hat
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