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Der letzte Aufguss

Der letzte Aufguss

Titel: Der letzte Aufguss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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seiner
Jackentasche. »Sehen Sie sich zum Beispiel dieses Messer an. Es sieht völlig
unspektakulär aus, doch dank einiger Details ist es so scharf, dass Sie damit
eine Schneeflocke durchschneiden könnten. Doch das wissen nur echte Kenner.«
    Bietigheim war froh, jemanden im Haus zu haben, dessen Hirn nicht
von Fettadern marmoriert war. »Ganz genau!«, rief er nun aus. »Michael wollte
uns damit sagen, dass mit diesem Bekennerschreiben etwas nicht stimmt, dass es
eine Lüge ist. Vermutlich hat er es nicht freiwillig geschrieben und wollte uns
ein Zeichen geben, das nur wir verstehen – nicht aber die Person, die Michael
gezwungen hat, den Brief zu verfassen. Was wiederum bedeutet, dass er sich
nicht selbst das Leben genommen hat, sondern umgebracht wurde, ja umgebracht
werden musste – denn ansonsten hätte er das Schreiben ja problemlos widerrufen
können. Die Frage ist nun: Wer hat ihn auf dem Gewissen? Glotzen Sie nicht wie
ein toter Fisch, Pit. Mir ist klar, dass ich zu schnell für Sie bin, aber Sie
könnten sich wenigstens bemühen mitzukommen, anstatt einfach abzuschalten.«
    Pit blinzelte und richtete seine Augen auf den Professor. »So guck
ich halt, wenn ich denke.«
    Â»Hab ich noch nie gesehen. Na ja, kein Wunder.«
    Â»Haben Sie denn schon mal gesehen, wie ich Ihnen die beidhändige
Doppelbackpfeife verpasse? Oder den senkrechten Schlag mit der Faust auf den
Kopf? Von Bud Spencer abgeschaut. Danach gucken Sie dann wie ein Fisch – aber
wie ein verdammt platter. So, und jetzt sag ich Ihnen, worüber ich nachgedacht
habe, Professore. Bin ja nicht nachtragend. Also: Michael wurde umgebracht,
weil er etwas über den Täter wusste. Etwas, was er Ihnen nicht erzählt hat,
vielleicht weil er Angst hatte, deshalb umgebracht zu werden. Nun ist er
gestorben, obwohl er es Ihnen nicht erzählt hat – und ihm das vielleicht sogar
hätte den Kopf retten können.«
    Bietigheim zwang ein Lächeln hervor. »Das könnte tatsächlich der
Grund gewesen sein. Weiterdenken! Und dabei nicht aufhören, Benno zu kraulen.«
Er ging in die Küche und kam mit einem Teller voller Shortbread zurück, wovon
er eines umgehend in seinen Mund beförderte. Nachdem er zu Ende gekaut und sich
die Lippen mit seinem Seidentaschentuch abgetupft hatte, hob er den Finger
demonstrativ in die Luft. »Eine andere Frage beschäftigt mich genauso intensiv:
Wurde Cleesewood wirklich mit Tetrodotoxin getötet? Der Gerichtsmediziner hat
das bisher nicht feststellen können. Wenn es stimmt, wissen wir, wer Michael
Broadbents Mörder ist: der einzige Mann, der von dem Gift wissen kann, derjenige
nämlich, der Professor Jonathan Cleesewood tatsächlich auf dem Gewissen hat.«
    Die drei Bewohner des viktorianischen Reihenhauses hatten es noch
nicht bemerkt, doch der Vorgarten hatte sich gefüllt. Nicht mit Regenpfützen,
nicht mit Tauben, nicht mit Ratten, nein, mit Gefährlicherem: mit der
Medienmeute. Sie musste von den Zeilen über Bietigheim in Michaels
Abschiedsbrief erfahren haben. Schon wurden Kameraobjektive hektisch zwischen
die Gitterstäbe der Fenster geschoben, es folgte ein Blitzlichtgewitter. Bietigheim
und seine beiden Gäste wandten sich zur Hintertür. Doch es war bereits zu spät.
Auch dort standen sie.
    Das Haus in der Pretoria Road war umzingelt.
    Pit zog in Windeseile alle Gardinen zu und ließ Rollläden runter, wo
es welche gab. Dann stellte er die Türklingel ab und legte den Hörer neben das
Telefon.
    Â»So, jetzt haben wir erst mal unsere Ruhe.«
    Das Klopfen begann. An der Haustür, an der Gartentür, an den
Fenstern. Es klang, als würden Hagelkörner von der Größe indischer Elefanten
gegen das Haus knallen.
    Bietigheim und Meister Kokushi hielten sich die Ohren zu. »Wie
bekommen wir die bloß weg?«, fragte der Professor. »Bei solch einem Lärm kann
man ja keinen klaren Gedanken fassen!«
    Â»Das ist ein Fall für Conspirator!«, sagte Pit und stampfte hoch in
sein Zimmer.
    Â»Wissen Sie, was er meint?«, fragte Bietigheim.
    Â»Sagt mir nichts«, meinte Kokushi. »Vielleicht ist es eine Maschine,
die es so nur in Großbritannien gibt?«
    Â»Woher sollte Pit Kossitzke aus Hamburg die dann kennen?«
    In diesem Moment kam Pit die Treppe herunter. In der Hand trug er
einen Ghettoblaster.
    Â»Ist das etwa ein Conspirator?«, wollte Kokushi wissen.

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