Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der letzte Aufguss

Der letzte Aufguss

Titel: Der letzte Aufguss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Sebastian Henn
Vom Netzwerk:
Dann
räusperte er sich lange – bevor er einen Hustenanfall bekam. Nach einem großen
Schluck Wasser ging es ihm besser. Solch einer Pressemeute hatte er vermutlich
noch nie gegenübergesessen.
    Â»Ich darf Ihnen danken, dass Sie die Zeit gefunden haben, zu unserer
kurzfristig angesetzten Pressekonferenz zu erscheinen. Die Ereignisse haben
sich, wie Sie alle wissen, am frühen Morgen überschlagen. Der
einundzwanzigjährige Steven Spurrier, auch bekannt unter seinem Künstlernamen
Michael Broadbent, Student an der University of Cambridge, St Johnʼs College,
hat sich in der vergangenen Nacht vom Glockenturm der Kirche Great St Maryʼs zu
Tode gestürzt. Die vermutete Todeszeit liegt zwischen zwei und drei Uhr früh.
Es liegen keine Vorstrafen vor, Spurrier galt als unbescholtener Bürger. Doch
dann haben wir auf dem Glockenturm seinen Abschiedsbrief gefunden.« Perry Simon
hielt eine verschweißte Klarsichthülle mit dem Schreiben hoch. »Sie werden
sicher Verständnis haben, dass keine Fotos oder Videoaufnahmen davon gemacht
werden dürfen, bevor die Spurensicherung ihre Arbeit beendet hat. Aus dem Brief
geht hervor, dass Steven Spurrier die Morde an den beiden Professoren begangen
und sich selbst das Leben genommen hat. An der Echtheit des Abschiedsbriefs
besteht kein Zweifel. Es ist Spurriers Briefpapier, die Tinte stammt aus seinem
Stift, und auch die Schrift ist eindeutig die seine. Die Mordserie an den
Kulinaristikprofessoren darf hiermit als aufgeklärt bezeichnet werden.«
    Chief Constable Perry Simon war merklich zufrieden, obwohl er nichts
geleistet hatte. Er hatte nur Glück gehabt, dass ein Mann von einem Turm
gesprungen war.
    Sofort schossen die Hände in die Höhe. Und weil nicht gleich jemand
drangenommen wurde, redete der Erste einfach los: »William Astor, Observer. Wie
hat es Spurrier denn nachts auf den Glockenturm von Great St Maryʼs geschafft?«
    Â»Das werden die Ermittlungen zeigen.«
    Â»Paul Dacre, Daily Mail. Hatte er Alkohol im Blut?«
    Â»Das wird die Obduktion ergeben.«
    Â»Pit Kossitzke, Deutsche Dobermann Depesche. Ist er allein auf den
Glockenturm gestiegen, oder hatte er Helfer bei seinem Selbstmord? Die
Fallgitter auf der Turmspitze sind ja nicht leicht zu überwinden.«
    Â»Auch diese Frage ist noch nicht geklärt. Ich danke Ihnen.«
    Noch während der Chief Constable sich ein paar Schluck Wasser aus
einem Glas genehmigte, stand Pit auf, griff sich den Brief und schoss mit
seinem Handy ein Foto davon.
    Â»Was tun Sie da? Das dürfen Sie nicht! Wer sind Sie?« Chief
Constable Perry Simon war außer sich.
    Â»Pit Kossitzke, Deutscher Brieftaubenzuchtverein.« Mit diesen Worten
drehte er sich um und ging schnell zum Ausgang.
    Es entstand ein Tumult.
    Tumulte gehörten zu den Dingen, die Pit neben gebratenem Fleisch
besonders liebte. Deshalb stellte er sich bei Spielen des FC St. Pauli immer in
den Fanblock der Gastmannschaft und feierte frenetisch jedes Tor der Hamburger.
Sein Körper war geradezu gebaut für Tumulte.
    Dieser Tumult war vergleichsweise harmlos, denn eigentlich wollten
ihn die Medienvertreter nicht aufhalten – sie wollten nur das Foto haben. Indem
sie ihm Geld boten oder versuchten, das Handy zu ergattern, welches Pit in die
Innentasche seiner Lederjacke gesteckt hatte.
    Vor der Tür standen weitere Menschen, darunter Polizeikräfte. Doch
Pit hatte bereits Fahrt aufgenommen. Und so brach er mit Schwung und Vergnügen
durch die Massen, die gar nicht wussten, wer da aus dem Gebäude kam und ob sie
ihn aufhalten sollten. Das war ihr Problem. Denn Pit wusste genau, was er
wollte: raus.
    Â»Für wen arbeiten Sie noch mal?«, kam die Frage aus der Menge.
    Â»Deutsches Deppeninstitut.« Er stieg schnell in sein Taxi und ließ
das Seitenfenster heruntergleiten. »Pit Kossitzke, Deutscher
Überraschungseffektmeister!« Dann brauste er los und stellte laute Musik an:
AC/DC, Dirty Deeds Done Dirt Cheap.
    Pit hielt es für angebracht, mit quietschenden Bremsen vor dem
Domizil des Professors zum Stehen zu kommen. Das machte er nur zu besonderen
Gelegenheiten. Jetzt kehrte der siegreiche Ritter mit dem Kopf des Drachens
zurück!
    Schwungvoll öffnete er die Haustür.
    Â»Tadaaa!«
    Professor Bietigheim und Meister Kokushi sahen nur kurz auf, sie
saßen im Wohnzimmer und waren in ein Gespräch vertieft. Allem Anschein nach
ging es um den

Weitere Kostenlose Bücher