definitiv gross und neu war. Es hätte wirklich ein Gefängnis sein können, doch es war eine Bibliothek, wie er heraus gefunden hatte, als das Taxi weg gefahren war.
Der nächste Taxistandplatz war garantiert zwanzig Minuten Fussmarsch von hier, aber etwas Luft und Bewegung konnte nicht schaden.
Die Vororte von Paris hatten etwas Trostloses. Riesige Wohnsilos waren aus dem Grund gestampft worden, um den Arbeitern eine Bleibe zu bieten, doch in kurzer Zeit waren die Betonbauten zu sterilen Gefängnissen geworden, die nur durch die Graffitis der Jugendlichen etwas Leben erhielten. Die Strassen waren leer, als wohne hier nur der Wind, der vereinsamte Plastiktaschen umher blies. Die Gegend sah in etwa gleich verlassen aus, wie er sich fühlte. Monotone Strassen, die sich alle zum Verwechseln ähnlich sahen, breiteten sich unter seinen Füssen aus.
Dann ging ihm plötzlich ein Wort durch den Geist, als habe es sich verirrt. Er war gerade daran an einem indischen Restaurant, welches im untersten Stock eines vierstöckigen Blocks zuhause war, vorbei zu gehen, als der Name sein Gehirn betrat und damit einen ganzen Rattenschwanz von Gedanken auslöste. Natürlich! Wieso war er nicht schon früher auf diese simple Idee gekommen?
Maahir! Palms Email-Account, er konnte sich als Palms ausgeben. Das könnte die Rettung sein!
Pete ging schnurstracks in das indische Restaurant, anstatt den nächsten Taxistandplatz zu suchen. Er bestellte sich einen Kaffee und machte es sich an einem Tisch in einer Ecke bequem. Dann holte er sein I-Pad aus der Aktenmappe und formulierte im Geist bereits das Email, das er an alle Kontakte von Palms, die die Endung .fr in der Adresse hatten, schicken wollte. Das war es! Pete lächelte und hatte plötzlich wieder die Energie Bäume auszureissen.
Er loggte sich in das Email-Fach ein und schickte wenig später ein Email an vierundsiebzig französische Email-Adressen.
Liebe französische Freunde,
ich schreibe diese Email aus dem Flugzeug und habe gerade keinen Zugang zu meinem Computer, da die Verbindung keinen hohen Datentransfer erlaubt.
Ein Freund des Präsidenten, der auch ein strategischer Berater für unsere Organisation ist, wird heute Abend um etwa sieben Uhr am Charles de Gaulle Flughafen landen und eine Besichtigung unserer Komplexe durchführen, um sie hinsichtlich der Verwendung einer neuen Technologie zu überprüfen.
Leider habe ich es versäumt, ihm die Adressen rechtzeitig zu schicken. Darf ich Euch bitten, die Adressen aller Komplexe in Frankreich direkt an seine Email-Adresse zu senden? Da es eilt - er landet ja schon bald - schicke ich das Email an Euch alle.
Seine Email Adresse ist:
[email protected] Vielen Dank.
Oliver Palms
Webmail sei Dank. Pete gestaltete das Email bewusst mehr wie einen Brief, als wie ein unpersönliches Email; einfach, weil er davon ausging, dass Palms das auch so getan hätte. Palms war ein Mann der Manieren und der Etikette.Dann klickte er auf Send.
Die Email-Adresse
[email protected] verwendete er bereits seit Jahren für sogenannte journalistische Undercover-Operationen. Sie war auf einem Server eines befreundeten Hackers zuhause, der vorsichtig darauf acht gab, dass man seinen Projekten keine klare IP-Adresse zu ordnen konnte. Dazu waren die Einstellungen dieser Adresse so, dass er jedes Email sofort als SMS auf sein Handy gespeist erhielt. Alles automatisiert.
Pete lehnte sich zurück. Jetzt musste er nur noch die Naivität und das Vertrauen der ATO-Mitarbeiter in ihre eigenen Security-Massnahmen walten lassen und bald - so war er überzeugt - würden die Adressen von selbst auf seinem Mobiltelefon erscheinen. Konnte das Leben schöner sein?
Als Pete seinen eigenen Magen knurren hörte, bestellte er sich eine Auberginen-Raita mit einem Fladenbrot, Rogan Josh mit Reis und zum Trinken einen Mango-Lassi; er hatte, wie immer unter Stress, vergessen etwas zu essen und seine ganze Aufmerksamkeit nur auf sein Problem gerichtet. Er hatte den Biss einer Bulldogge, wenn es darum ging ein Problem zu lösen, und dann wurde alles andere ausgeblendet.
☸
Taaah, 195 Tage bis „ Tag X“
Livia öffnete die Augen. Den ersten Sinneseindruck, den sie hatte, konnte sie nicht klar erfassen, als ob sich die Information erst mit genauerem Hinhorchen selbst herstelle. Doch dann war das Erlebnis unmissverständlich und grell. Ein Schmerz, wie sie ihn noch nie gefühlt hatte. Und je mehr sie ihn und seine