Der letzte Aufstand
wieder?“
„Ich stehe unter Druck. Es tut mir wirklich Leid, aber ich muss den Gefallen, den Sie mir schulden, jetzt eintreiben. Bis morgen brauche ich zündenden Stoff über die Konferenz und über Palms‘ Strategie. Besorgen Sie mir irgendwas, womit ich arbeiten kann. Sonst, bin ich gezwungen die Vanessa Gagliardi-Story zu bringen, damit die Quoten ein wenig in die Höhe gehen. Das wollen Sie doch nicht?“
Kensington atmete schwer.
„Verdammt, ich hab nichts!“
„Dann finden Sie was! Sie haben vierundzwanzig Stunden!“ Pete beendete das Gespräch. Er steckte sein Blackberry ein und kippte den Orangensaft hinunter. Das schlechte Gewissen, das sich naturgemäss einstellte, ignorierte er. Darin hatte er Übung, aber insgeheim, wenn er ehrlich war, freute auch er sich darauf seine Arbeit niederzulegen. Genau wie Livia. Er freute sich darauf, als freischaffender Journalist der Welt etwas sinnvolles zu schenken, anstatt immer nur Dreck. Livia hatte wirklich recht. Sie mussten beide aufhören; der Job frass sie auf.
Pete verliess die Bar. Er ging in den Central Park und setzte sich an dem sonnigen Abend auf ein Bänkchen. Dort packte er sein I-Pad 4 aus, das er immer und überall dabei hatte. Er musste diesen Palms etwas genauer unter die Lupe nehmen.
Natürlich wusste Pete, was alle über Palms wussten: dass er ein Nobelpreisträger war, dass er bei allem, was er tat, Erfolg hatte, dass er den Medien noch nie getraut hatte und deshalb nur sporadisch für Interviews oder Stellungnahmen zur Verfügung stand. Eben das, was alle über ihn wussten. Aber was heckte er jetzt aus? Was war sein Plan? Wie wollte er den Terrorismus beenden?
Pete öffnete den Browser und navigierte zu Bing, der Suchmaschine, die er lieber verwendete als Google. Als ausgebildeter Journalist wusste er natürlich nur zu gut, wie er an seine Infos herankam. Er mied die Mainstream-Seiten, so wie z.B. die seiner eigenen Bude LTG, navigierte sich von Blog zu Blog, und besuchte dann auch einige Verschwörungstheorie-Webseiten, da diese Leute manchmal Dinge aufdeckten, die anderen einfach nicht auffielen.
Trotz aller Mühe und trotz seines Know-hows fand Pete herzlich wenig über den Mann heraus. Hatte der Typ etwas zu verbergen, dass er sein Privatleben so geheim hielt? Das einzige, was Pete herausfinden konnte, war, dass Palms einen Sohn aus erster Ehe hatte, der in New York als Jazzmusiker seine Brötchen verdiente. Trevor Palms. Das hatte er noch nicht gewusst. Der Sohn war siebenundzwanzig Jahre alt. Sollte er dem Söhnchen vielleicht einen Besuch abstatten? Schauen, ob der vielleicht mit irgendwelchen Geschichten über Palms rausrücken würde?
Pete bingte den Jazzmusiker. Andere Leute googelten, Pete bingte, das war die Vergangenheitsform für das von ihm neu erschaffene Verb bingen .
Wie sich heraus stellte, spielte Palms Junior an jenem Abend in einem Jazzschuppen an der 42. Strasse. Pete blickte auf die Uhr. Es war halb acht. Genug Zeit, um irgendwo gemütlich zu Abend zu essen und danach mit dem Taxi in die 42. Strasse zu fahren und diesem Trevor Palms ein wenig auf den Zahn zu fühlen. Auch falls es nichts bringen sollte, sagte sich Pete, etwas Besseres hatte er eh nicht zu tun. Er hoffte, dass Livia immer noch am Schlafen war. Dann machte er sich auf, um ein gemütliches Restaurant zu finden.
☸
Kanada, 175 Tage bis „Tag X“
Eine Woche war es jetzt her, dass Lea und Kahil vom Piloten auf dem Landesteg des kleinen Sees irgendwo in den Weiten Kanadas abgesetzt worden waren. Das Haus - eigentlich hätte man die Hütte sagen sollen - hatten sie schnell gefunden. Sauberes Wasser gab es von einer nahen Quelle, wirklich kalt wurde es in dieser Jahreszeit noch nicht, und die totale Stille entsprach beiden ganz und gar.
Es lebt sich eigentlich nicht schlecht in der Wildnis, dachte Kahil. Er sass am See und versuchte mit einem im Wald ausgebuddelten Wurm am Haken einen Fisch zu fangen. Das brauchte Geduld, war aber möglich, wie er und Lea es sich jetzt schon fünf mal bewiesen hatten.
Lea war in der Hütte und brütete über dem Manual, wie sie den Ordner jetzt nannten.
Obwohl das Schweigen in ihrer Beziehung immer noch dominant war, tauschten sie sich jetzt doch auch verbal aus. Sie fragten sich gegenseitig ab, wenn es galt irgendetwas auswendig zu lernen, und besprachen die Konzepte, was manchmal zu enthusiastische Diskussionen führte.
Dieser Austausch wurde angeleitet.
C-Teams Ausbildungsordner: Tag 6,
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