DER LETZTE BESUCHER
Stimme Beckers klang ein bisschen atemlos aus dem Hörer, und Beate , die sonst so Gleichmütige, hatte plöt z lich genug. Was soll das alles , dachte sie rebellisch, es reicht für heute. Lass uns doch ei n fach in Ruhe jetzt. Doch sie riss sich zusammen , wollte auch nicht un höflich sein. Der Kommi s sar meinte es schließlich nur gut, und außerdem tat er alles, um Sabines Mörder zu finden. Sie war einfach überreizt und brauchte dri n gend ihren Schlaf.
„Machen Sie sich keine Sorgen . Bei uns spukt es zwar gerade ein bisschen, aber sonst ist alles in Ordnung“ , e r widerte sie deshalb nur leichthin, und nach ein paar Höflic h keitssätzen beendete sie das Gespräch. Sie ve r riegelte die Terrassentür und schob das berei t liegende Kantholz in die Laufschiene – die beste Einbruchsicherung, wie ihr ein S i cherheitsfachmann einmal versichert hatte – dann wü n schte sie Helen eine gute Nacht und brachte sie noch bis zur Tür des Gästezimmers, bevor sie in ihr Schla f zimmer ging.
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D er Tag in Hamburg war anstrengend gewesen , und sofort nach dem Start war Becker kurz eingenickt. Der Ka f fee, den ihm die Stewardess später servierte, weckte zwar seine Lebensgeister , aber er schloss die Augen wieder und ließ seine Gedanken wandern. Dabei hatte er sich extra vorgenommen, die Ruhepause während des Rüc k fluges zu nutzen, um seine Notizen noch einmal du rchzusehen und mögliche Widersprüche aufzudecken , die sich du rch die G e spräche mit den Hamburger Kollegen und seine Recherchen vor Ort ergeben hatten.
Sein Termin im Personalbüro von Browers & Partner war unbefried i gend verlaufen. Ja, Herr Bauer , ein überaus kluger und ehrgeiziger Mita r beiter , sei vor ungefähr vier Jahren nach Frankfurt gegangen , als dort eine Position in der mi t tleren Führungsebene frei wurde. Nein, über sein Pr i vatleben wisse man nichts. Herr Bauer sei wohl zum zweiten Mal ve r he i ratet, hätte aber Berufliches und Privates immer strikt getrennt. Freunde oder Bekannte im Kollegenkreis? Nein, z u mindest sei darüber nichts bekannt. Vielleicht damals, aber in den vergangenen Jahren hätte es viele Wechsel im Hause gegeben. Wenigstens hatte Becker erreicht, dass die Perso n alchefin ihm eine Liste aller Mitarbeiter ausdrucken ließ, die damals mit Bauer zusamme n gearbeitet hatten. Er wollte sie nach der Lan du ng gleich an seinen Assistenten weitergeben, der damit sicher eine ganze Weile b e schäftigt sein würde.
Becker seufzte. I rgendwie klappte es heute nicht so richtig mit dem Nac h denken . E r konnte sich einfach nicht konzentrieren, weil ihm so vieles du rch den Kopf ging, was mit seinem Fall nur am Rande zu tun hatte. Er schaute aus dem Fenster, rutschte ein paar Mal unr u hig auf seinem Sitz hin und her und war sich sichtlich selbst im Weg. Ein au f merksamer Beobachter hätte vermutlich nicht lange g e braucht, um zu erkennen, was mit Becker los war. Aber der Kommissar , der sich im D i enst bisher stets jede private Regung verboten hatte und der seine Mita r beiter immer wieder dazu anhielt, Dienstliches und Privates auf keinen Fall miteinander zu vermischen, dieser pflichtbewusste Kommissar war u n versehens und bereitwillig in die Falle getappt, die der Zufall ihm gestellt hatte. Er hatte sich ve r liebt. Hals über Kopf und ohne nachzudenken, hatte er sich in sie verliebt und es noch nicht einmal g e merkt . Oder nicht merken wollen, weil er viel zu sehr mit dem Fall Sabine Schneider b e schäftigt war und damit, ihren Mörder aufzuspüren und zur Strecke zu bringen . Seine G e danken, die sich von Tag zu Tag mehr mit der Freundin der Toten beschäftigten, sein Mi t leid mit ihr und seine Sorge um sie hatte er bis jetzt immer wieder verdrängt . Denn Helen Bergmann war nicht nur eine Zeugin, sie war selbst auch ve r dächtig.
Becker quälte imm er noch die Frage , warum Helen bei seinem ersten Besuch geleugnet hatte, den E x mann ihrer Freundin Sabine zu kennen. Er war sich sicher, ihn damals vor ihrem Haus erkannt zu haben, und er glaubte nun einmal nicht an Zufälle. Was hatten die beiden mi t einander zu schaffen?
A ußerdem war Helen schließlich verheiratet , auch wenn er inzwischen wusste, dass sie ihren Mann ve r lassen hatte. Zum Glück kannte er ihn nicht, war sich aber sicher, dass er ein äußerst unangenehmer Zei t genosse sein musste, dieser Daniel. Wieso glaubte er das eigentlich? Es gelang ihm ei n fach nicht, sich zu
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